Nepal Reise 1969

MUENCHEN - TEHERAN

Mit total ueberladenem Wagen verliessen wir, Inge und ich, am 31.08.1969 Muenchen in Richtung Teheran. Unsere Hauptziele waren, die Erstdurchsteigung der 1000 m hohen Bisotun Ostwand bei Kermanshah im Iran, und die Erstbesteigung des 6135 m hohen Gabelhornes in der Annapurnagruppe des Himalaya. Ausserdem hatten wir den Wunsch viele interessante Dinge in fremden Laendern mit anderen Kulturkreisen zu sehen, und ueberhaupt freuten wir uns wieder mal auf ein grosses Abenteuer.

Die uns schon von frueheren Fahrten gut bekannte Strecke Muenchen - Teheran, ueber Salzburg, Graz, Marburg, Agram, Belgrad, Nis, Sofia, Edirne, Istanbul, Ankara, Sivas, Erzurum, Dogubajazit und Taebris, legten wir in einer Non-Stopp-Fahrt von genau 96 Stunden zurueck. Nicht dass wir einen Rekord aufstellen wollten, nein - wir wollten Zeit sparen fuer den uns noch unbekannten Teil der Reise.

Dem Reisetempo entsprechend gibt es von diesem Teil der Reise nicht viel zu berichten. Trotzdem begeistern uns immer wieder einige laengst bekannte Dinge von neuem. So die gediegenen, oft duesteren Ecken in den Basaren, die wie Raketen in den Himmel ragenden Minaretts der Moscheen, die naechtliche Fahrt ueber den Bosporus, die mit orientalischer Ruhe abgewickelte staendige Geschaeftigkeit und natuerlich auch die von uns so gern aufgesuchten duftenden Garkuechen.

In Sivas suchten wir spaet am Abend auch eine solche Garkueche auf. Normalerweise haben wir dann immer in die ueber dem Feuer haengenden Toepfe geschaut und gezeigt was wir essen wollten. Der Raum war jedoch schlecht beleuchtet und so konnten wir nicht recht erkennen was da in den Toepfen herumschwamm. Der Wirt, der wie die meisten Tuerken etwas deutsch sprach, wollte uns bei der Auswahl behilflich sein. Aber scheinbar fehlte die Bezeichnung fuer Ochsenfleisch in seinem Wortschatz. So empfahl er uns Kuhmann zu essen. Wir haben also Kuhmann bestellt. Es hat vorzueglich geschmeckt.

Ansonsten ging alles glatt. Es gab weder Grenzschwierigkeiten, noch Autopannen in diesem Reiseabschnitt. Den Ararat, der schon lange auf unserer Wunschliste steht, konnten wir wegen des Zeitmangels wieder nur mit Blicken gruessen.


BISOTUN  OSTWAND

In Teheran waren verschiedene Formalitaeten zu erledigen. Unser Fahrzeug musste zum Service. Derweil versuchten wir die persischen Kameraden, die zum Bisotun mitfahren wollten, zusammenzutrommeln.

Am 08.09. war es dann endlich so weit. Frueh am Morgen verliessen wir Teheran in Richtung Hamadan - Kermanshah. Urspruenglich war geplant, dass einige persische Kameraden zur Unterstuetzung des Unternehmens, und vor allem fuer den Wassertransport in dieser trockenen furchtbar heissen Gegend, mitfahren sollten. Sogar Melonen wollten sie ueber die leichte Westflanke zum Gipfel bringen.

Die Angelegenheit mit dem Wasser fiel leider ins Wasser. Entgegen frueheren Erfahrungen klappte es bei den Persern diesmal nicht so recht. Das lag daran, dass zu dieser Zeit in Isfahan ein grosser Kongress aller  iranischen Bergsteiger angesetzt war. So gab es einige Verzoegerungen. Die Perser, die immer Zeit haben, meinten ich solle halt ein paar Tage warten, dann wuerde sicher alles gut werden. Begrenzter Urlaub war ihnen schon immer etwas unverstaendliches.

Wir konnten nicht warten und reisten deshalb mit nur einem Kameraden, namens Sardeg Karbassi, los. Auf meine Frage, ob der Sardeg wenigstens einigermassen englisch spreche, antwortete mir der Manager des Bergsteigerhauses laechelnd :
" Nein - er spricht weder englisch noch deutsch, dafuer aber ausgezeichnet Farsi ".
( = persische Sprache )

Gegen 15:00 Uhr erreichten wir das Hotel Darius am Fuss des Bisotun, unweit der Stelle wo sich einst schon Darius der Grosse in dieser Wand verewigen liess. Als ich die Wand ueber mir sah, konnte ich nicht mehr bis zum naechsten Morgen warten, ich musste hinein. Sardeg war von dieser Idee weniger beglueckt.

Das Hotel Darius ist wahrscheinlich nur in den Augen seines Besitzers ein Hotel. Es ist vielleicht als Teehaus zu bezeichnen, und wird gelegentlich von Fernfahrern der vorbeifuehrenden Strasse Bagdad - Teheran als Absteige genutzt. Der Lehmbau besteht eigentlich nur aus einem Raum, mit einer abgetrennten Nische, die dem Wirt als Kueche und Schlafraum dient. Man kann Tee, Limonade und einige einfache Speisen erhalten.

Wer uebernachten will, muss sich aufs Dach begeben. Schlafzeug muss der Gast selbst mitbringen. Die Wasserversorgung geschieht aus ehemaligen Teerfaessern, die von den Kindern des Wirtes von Zeit zu Zeit mit Wasser aus dem Bach gefuellt werden. Die Tonnen stehen auf einem Felsblock vor dem Haus. Das ganze Leitungsnetz besteht aus zwei Meter Rohr und einem Hahn. Waehrend Sardeg und ich zum Einstieg marschierten, konnte sich Inge mit ihrem Nachtquartier vertraut machen.

Es wuerde zu weit fuehren alle Einzelheiten der Durchsteigung zu beschreiben. Was uns in der Wand am meisten zu schaffen machte, war der Durst. Wir hatten zwar fuenf Flaschen Wasser dabei, aber der Sardeg fing auch gleich an fest zu trinken, was bei der Hitze und den Anstrengungen durchaus verstaendlich war. Da er mich nicht verstand, hatte es auch keinen Sinn ihn zur Einteilung anzuhalten. Da habe ich einfach kraeftig mitgetrunken, um nicht zu kurz zu kommen.

Das Wasser war bald alle, die Hitze furchtbar, die vor uns liegende Kletterstrecke noch sehr lang und unuebersichtlich, und unsere Rucksaecke sehr schwer. Als erste Erleichterung konnten wir, nachdem das Wasser verbraucht war, saemtliche Esserei wegwerfen. Es war unmoeglich geworden, noch etwas durch unsere ausgedoerrten Kehlen zu pressen. Der gelegentlich auftretende Sandsturm tat den Rest, uns zu Backpflaumen zu verarbeiten.

Die Wand, aus ideal rauem Kalkstein bestehend, bietet - durch breite Baender unterbrochen - herrliche Steilstufen mit gutgriffigen Ueberhaengen, engen Rissen und allem was sich der Kletterer wuenscht. Wie schoen koennte diese Steigerei sein, ohne Durst.
Auch in der Nacht kuehlte es nicht wesentlich ab, aber ohne Sonne war es doch etwas angenehmer. Wir sind deshalb teilweise nachts mit Stirnlampe geklettert. Die Hitze liess uns sowieso nicht schlafen. Weiter oben bin ich dummerweise mit einem Felszacken ausgebrochen und ein Stueck hinunter gefallen. Gluecklicherweise ist alles einigermassen glimpflich verlaufen, so dass ausser einigen sehr tiefen Schuerfwunden und ein paar Prellungen nicht viel zurueckblieb.

Am Morgen des 10.09. erreichten wir gluecklich den Gipfel. Alles was an Ausruestung nicht unbedingt gebraucht wurde, hatte ich zur Erleichterung schon unterwegs weggeschmissen. Auf dem Gipfel sortierte ich noch mal aus, um nur die wertvollsten Stuecke ins Tal zu schleifen. ( Unsere gesamte Ausruestung war mein persoenliches Eigentum. )

Nachdem ich die ausrangierten Gegenstaende auf einem Haeufchen zusammengelegt hatte, und mich zum Gehen anschickte, deutete mir Sardeg an, ob er diese Dinge behalten duerfe, wenn er sie hinab trage. Ich bejate. Der Sardeg kippte daraufhin seinen Rucksack aus, und lud die soeben erhaltenen Geschenke ein. Mir blieb nichts anderes uebrig, als Sardegs ehemaligen Rucksackinhalt einzupacken. So hatte ich am Schluss doch wieder einen vollen Rucksack. Sprachschwierigkeiten !

Der Abstieg in der Sonnenglut war eine Qual. Vor dem Dariushotel erwartete uns eine Kompanie Soldaten. Die waren extra angereist um Beifall zu klatschen. Uns aber interessierten momentan nur Getraenke.

Der Bisotun lag hinter uns, der groesste Teil der Reise noch vor uns. Trotzdem haben wir uns eine kleine Rast gegoennt. Haben einige alte Kulturstaetten bei Kermanshah und Hamadan besichtigt. Unter anderem waren wir auch am knapp 2500 Jahre alten Grabmal der juedischen Koenigin Esther, mit einer auf Lederrollen geschriebenen Bibel als wertvollsten Gegenstand.


TEHERAN - DELHI

Am 15.09. starteten wir dann in Richtung afghanische Grenze. Vorbei am 5760 m hohen Demavend, der mir von einer Besteigung im Jahre 1964 noch gut in Erinnerung ist, gings ueber Gorkhan und Mashad nach Islam Quala.

Bis Gorkhan lief alles planmaessig. Danach folgte Wuestenstrecke, Schlaglochpiste, Wellblechstrasse oder wie man es sonst noch nennen will. Mit Strasse nach unseren Begriffen hatte diese Strecke jedenfalls kaum etwas gemein. In eine dichte Staubwolke gehuellt fuhren wir dahin.

Eine Reifenpanne brachte eine Abwechslung. Da die Rollbahn breit, gerade und leer war, hatten wir unser Vehikel voll aufgezogen. Noch bevor wir, nachdem die Luft ausging, zum Stehen kamen, war unser defekter Reifen bis zur Unbrauchbarkeit aufgearbeitet. Als ewiger Optimist, und natuerlich auch wegen Platzmangel, hatte ich nur einen Ersatzreifen dabei. Die restlichen 300 km bis Mashad habe ich dafuer ganz ordentlich auf Kohlen gesessen. Wir passierten nur kleine Ortschaften wo es keine Werkstaetten gab.

Die Entfernung zwischen den Ortschaften war jeweils sehr gross, die Gegend total trocken, und die Sonne schien wahnsinnig heiss. In Bonjurd, der einzigen Ortschaft mit Werkstatt, fuehrte man meine Reifengroesse nicht. Bei Nacht erreichten wir Mashad. (Gluecklicherweise war das die einzige Reifenpanne waehrend der ganzen Fahrt.)

Wir hatten fuer diese Fahrt extra den Beifahrersitz aus unserem Variant herausgenommen und dort das meiste Gepaeck gestapelt. Der hintere Raum war als Liegeflaeche hergerichtet, damit waehrend der Fahrt immer einer im Liegen ausruhen konnte bzw. sogar musste. Die andere Haelfte der Liegeflaeche war bei Tag mit Gepaeck vollgestopft, was wir bei Nacht auf den Fahrersitz bugsieren mussten. Gelegentlich rutschte auch waehrend der Fahrt der ganze Krempel auf den Liegenden, besonders bei Schlaglochpisten. Manchmal hatte sogar der Fahrer mit Gepaeckstuecken zu kaempfen.

In Mashad angekommen waren wir rechtschaffen muede und sofort schlafbereit, wie ueberall. In einem Kreisverkehr am Ortseingang fuhren wir an den Strassenrand und schon lagen wir in tiefem Schlummer.

Der folgende Tag bescherte allerhand Aufregung.  Das Auto musste auch wegen anderer Kleinigkeiten in den Service. Haben diesen nach einigem Hin und Her auch gefunden. Das Personal sprach aber leider nur Farsi. Der Reifenkauf stellte ein groesseres Problem dar. Zu den Sprachschwierigkeiten gesellte sich die Frage der Dimensionierung. Im Iran fasst man der kleineren Palette halber einfach mehrere Reifengroessen zusammen, so z.B. 5.60 - 6.40 x 15 oder aehnlich. Fuer uns vollkommen ungewohnt.

Froh waren wir, als sich ein junger, englisch sprechender Mann zwischenschaltete. Wir haben viel gezahlt, aber wir hatten einen Reifen. Der junge Mann verabschiedete sich, wir bedankten uns und zahlten. Den Reifen schafften wir zur Werkstatt und schlenderten anschliessend durch Mashad, um uns die goldene Moschee und andere Dinge anzuschauen.

Als wir zur Werkstatt zurueckkamen, war der Sohn des Inhabers anwesend, ein gut englisch sprechender Student. Der fragte nach dem Preis des Reifens, schuettelte mit dem Kopf, und fragte anschliessend wo wir ihn gekauft haetten. Danach hiess er uns mitkommen. Wir marschierten incl. Meister und zwei Schlossern zu dem Haendler. Dort gab es einen ordentlichen Krach, von dem wir nichts verstanden. Anschliessend erhielten wir einen beachtlichen Teil unseres Geldes zurueck.

Unser Helfer entschuldigte sich mit den Worten : "Es gibt ueberall gute und schlechte Menschen. Ihr Helfer von heute morgen hat gut in seine Tasche gearbeitet." Die Schlosser haben Ueberstunden gemacht. Wir haben unseren PKW mittels laengerer Stossdaempfer 6 cm anheben lassen. Das hat sich auf schlechten Strassen bestens bewaehrt.

Der folgende Tag ueberraschte mit einem weiteren Defekt. Aus unerklaerlichem Grunde blieb der Motor ploetzlich stehen, und dies auch noch in der Mittagshitze. Einsam und verlassen standen wir auf einer geradezu kriminellen Schotterstrasse, mitten in einer endlos scheinenden verkarsteten Ebene. An den Blechen des Autos konnte man sich verbrennen, so heiss war es.
Unterflurmotor, Batterie unter der Liegeflaeche, aller verfuegbare Raum vollgepackt und total eingestaubt, es passte einfach prima zusammen. Die einzige nur sehr schwach wirksame Erfrischung, der Fahrtwind war nun auch noch weggefallen. Mein Kopf schien zu verdoerren.

Dass weder Zuend- noch Anlasstrom ihren Bestimmungsort erreichten war klar. Aber wo lag die Unterbrechungsstelle ? Jetzt hiess es ausladen. Nur keine Muedigkeit zulassen. Die Begeisterung fuer diese neue Einlage konnte ich der Inge an den Augen ablesen. Was half's. Wir haben geschwitzt. In alle Winkel bin ich geschluerft um die elektrischen Leitungen zu verfolgen. Unguenstigerweise liegen ja die meisten Kabel irgendwo unter der Verkleidung.

Meine Kehle war total ausgetrocknet. Dummerweise war uns gerade wieder mal das Trinkwasser ausgegangen. Eine von der Sonne gut aufgewaermte Erdbeerkonserve sollte Abhilfe schaffen. Anschliessend pappte es in meinem Halse als haette ich Tapetenkleister geschluckt.

Nach fuenfstuendigen Suchen fand ich den Aergerniserreger. Ganz oben, hinter dem Armaturenbrett noch oberhalb der Sicherungsleiste, war ein Kabelschuh durch das dauernde Geruckle auf den schlechten Strassen, von seinem Kontaktblech heruntergesprungen. In der Dunkelheit erreichten wir die afghanische Grenze.

Eine in stark verschmierte schmuddelige Bekleidung gehuellte Gestalt fuehrte uns durch mehrere mit Gepaeckstuecken gefuellte Raeume in ein moderiges Gemach mit einem wackeligen Tisch. Wir mussten dort lange Formulare ausfuellen. Es handelte sich um den Zollbeamten und sein Dienstzimmer. Alles ging recht umstaendlich vonstatten. Ewige Deklarationserklaerungen, fuer unsere Begriffe unsinnige Fragen, unmoeglich truebe Belaeuchtung und anderes mehr, gestalteten die Angelegenheit recht spannend.

Wir waren froh als endlich der Schlagbaum hoch ging. Die einzige gute afghanische Strasse war identisch mit unserer Reiseroute. Da wir die letzten Tage einiges an Zeit eingebuesst hatten, traten wir nun gleich mal ordentlich aufs Gas. Der Erfolg war, dass ich nach einiger Zeit beinahe einen unbeleuchteten Schlagbaum ueberrollt haette. Keine Grenze, sondern Strassenzoll. Davon gibt es in Afghanistan viele.

Fuer die Kurven haben sich die Afghanen etwas ganz besonderes ausgedacht. Statt Mittelstrich haben sie dort eine ca. 50 cm hohe Mauer. Wer ahnungslos eine unuebersichtliche Kurve schneidet, darf sein Fahrzeug anschliessend ausserhalb der Strasse parken.

Die Landschaft ist aehnlich der in Anatolien und in Teilen des Iran. Verkarstete Hochebene, von Nomadenstaemmen mit ihren Herden durchzogen. Was die Schafe in dieser Gegend noch finden ist mir unerklaerlich. Die Bekleidung der Menschen besteht aus einer Pumphose, die eigentlich nur ein kunstvoll zwischen den Beinen hindurchgeschlungenes Stueck leichter Stoff ist. Darueber ein langes duennes Hemd. Auf dem Kopf ein Turban. Alles meist in den Farben weiss oder hellgrau.

Einst haben die Afghanen die Englaendern am Khyberpass erfolgreich abgewaehrt. Ihr Koenig blieb Koenig. Sie wurden nie kolonialisiert. Ob das ein Vorteil war bleibt dahingestellt. In den Nachbarlaendern ist der Lebensstandart hoeher.
Pakistanische Grenze. Wieder ein neues Land, aber ein fuer mich bereits bekanntes Land. Wieder ein Wegstueck geschafft, ein Stueck dem Ziel naeher. Aber gibt es fuer uns ueberhaupt ein Ziel? Bisher war immer der Weg das Ziel, am Berg, auf Reisen und in meiner ganzen Lebenseinstellung. Ist ein Hoehepunkt noch nicht erreicht, tun sich schon wieder zahlreiche neue Hoehenwege vor mir auf. Selbst gesuchte Schwierigkeiten.

Man sollte besser nicht danach fragen ob die Ueberwindung von Hindernissen sinnvoll ist. Es gibt Dinge, die auch ohne ein Ziel zu erreichen Freude bereiten. Es tut nicht weh an einem Gipfel kurz unterhalb vorbei zu gehen. Aber es mutet greisenhaft an, an einem erreichten sogenannten Ziel lange zu rasten, um auf vollbrachte Leistungen zu blicken. Etwas Vernunft ist manchmal recht gut, aber wo die Vernunft beginnt, geht die Jugend zu Ende.

Als ich zur Passkontrolle marschierte, sprach mich ein Devisenhaendler an, ob ich schwarztauschen wolle. Wie in den meisten von uns durchquerten Laendern ist das auch in Pakistan verboten. Mir war diese Situation in der Naehe der Grenzpolizisten recht peinlich. Der Tauscher liess nicht locker und folgte mir ins Zollbuero. Waehrend ich meine Devisendeklaration ausfuellte, sprach er mich erneut an. Schliesslich haben wir den Schwarztausch auf dem Schreibtisch des Zoellners getaetigt. Das muss man erlebt haben !

Wie wir bald merkten, gehoert die Einhaltung von Vorschriften nicht zur asiatischen Normalitaet. Die Gewinnanteile der Zollbeamten sind sicher schon seit laengerer Zeit geregelt. Wer sich keine solchen Vorteile verschafft, gilt als dumm.

Ueber Peshawar fuhren wir weiter nach Rawalpindi. Unterwegs haben wir an einer Raststaette fuer Fernfahrer uebernachtet. Meist besteht so etwas aus einer Tankstelle und einer kleinen Teekueche mit sehr einfachem Restaurant. Davor stehen dann einige mit groben Netzen bespannte Holzrahmen im Schatten einiger Baeume. Darauf kann jeder kostenlos ruhen bzw. uebernachten.

Wir haben uns auch auf eine solche Pritsche gehauen. Herrlich war das. Aber dem Besitzer gefiel es nicht. Wir mussten mit zu seiner Familie auf das Dach der Tankstelle. Wir bekamen dann noch Coca Cola gebracht, und am Morgen ein Fruehstueck. Alles war kostenlos. Der Chef meinte wir sollten auf der Rueckfahrt unbedingt wieder vorbeikommen, das waere ihm eine Ehre. Ich weiss gar nicht womit wir uns das verdient haben.

Ordentlich geschwitzt haben wir immer. Verstaubt waren wir auch. Da es mit dem Waschen meist knapp zuging, begannen wir auch schon etwas zu stinken. Wir waren reif fuer ein Bad. Ich hatte zwei grosse Freibaeder nahe den Flashman Hotel in Rawalpindi in Erinnerung. Dort wollten wir hin. Das Flashman fanden wir, die Baeder nicht. Man sagte uns, das Intercontinental haette ein schoenes Bad. Also dort hin.

Das Bad sollte gleich hinter dem Hotel liegen. Aber der Weg dahin fuehrte durch' s Hotel. Dahin passten wir, barfuessig und in unserem vergammelten Zustand, wie die Faust auf's Auge. Goldbedresste Portiere und sonstige Lakaien machten trotzdem tiefe Buecklinge. Angenehme Ruhe herrschte in der mittels Aircondition angenehm klimatisierten Empfangshalle, die nach hinten keinen Ausgang hatte.

Dummerweise fragte ich nach Bath, statt nach Swimmingpool. Wir landeten per Lift in den Schlafraeumen, wo Zimmermaedchen gerade die Betten aufschuettelten. Wir waren falsch. Erneut in der Eingangshalle wendete ich mich an den Empfangschef. Der wollte uns auf die Strasse zurueckschicken, weil das Freibad nur fuer Hotelgaeste gedacht ist. Etwas Palaver und kleines Trinkgeld haben dann doch noch alles geregelt.

Lahore erreichten wir am Abend. Ein naechtlicher Gang durch den Bazar, die Besichtigung der grossen Moschee und der Universitaet, eisgekuehlte reife Zitronen mit Pfeffer, und viele andere Dinge sind mir in guter Erinnerung geblieben.

Pakistan ist der Uebergang zwischen der bisher durchreisten subtropischen Trockenzone zum tropisch feuchten Klima Indiens. Wir spuerten es deutlich. Bruetende Hitze lag ueber der Grenzstation. Viele Bueros mussten wir passieren. Ueberall andere Stempel und andere Karteien. Die Unterbringung der Beamten war sehr vielfaeltig, vom Zelt, ueber ein auf Stuetzen stehendes Laubdach dass nur den Schreibtisch gegen die Sonne abschirmte, bis zur Lehmhuette fuer den Chef.

Der Boss hatte einen interessanten Ventilator. Von der Zimmerdecke hingen drei Schnuere herab. An diese hing horizontal ein mit Silberbronze bemaltes Brett. An der Brettunterseite ein in Fransen geschnittener Stoffstreifen, genau ueber dem Kopf des Chefs. Vom Brett fuehrte ein Strick ueber eine Rolle durch die Wand. Am Strickende sass ein Inder der per Handbetrieb das Brett in Schwingungen versetzte.

Die Speisen wurden schaerfer. An den Innenwaenden der Gaststaetten rannten Geckos auf und ab. Auf den Strassen wanderten Kuehe. Zwischendurch kurvten Fahrradrickshas. Auch die Buchstaben waren wieder mal anders. Wir waren in Indien. An einem heissen Morgen erreichten wir Delhi.


DELHI - KATHMANDU

Wir mussten zunaechst fuer unser leibliches Wohl sorgen. In einem gepflegten Restaurant bestellten wir nach Karte. Omelett war das Einzige was ich lesen konnte. Nach einiger Zeit brachte der Kellner einen kleinen dreigeteilten Teller mit verschiedenfarbigen Pasten. Ich nahm an das sei die Vorspeise. Inge kostete und verzog den Mund. " Das Zeug kann kein Mensch essen " meinte sie. " Du wirst Dich daran gewoehnen muessen" sagte ich, und schaufelte die Feuerpasten mit Todesverachtung in mich hinein. In meinem Inneren ging es zu als haette ich Salzsaeure getrunken. Die Hauptspeise war weniger scharf. Trotzdem musste ich kraeftig nachtrinken. Anschliessend schrieben wir einige Postkarten.

Am Nachbartisch hatten sich in der Zwischenzeit zwei Inder platziert. Auch ihnen stellte der Kellner den dreigeteilten Teller mit den Pasten auf den Tisch. Sie ruehrten ihn nicht an. "Siehst Du" sagte Inge : "Sogar denen ist das zu scharf", Wir schrieben weiter an den Karten. Dann brachte der Kellner die Hauptmahlzeit, und siehe da, die Inder gaben ganz winzige Tupfer der Pasten gleichmaessig verteilt darauf. Jetzt war klar, ich hatte die Gewuerze gegessen. Wir haben hinterher noch oft darueber gelacht.

Zivilisation haben wir daheim auch. Deshalb haben wir uns meist den einfacheren Wohnbezirken zugewendet. Wir verblieben also vorwiegend in Alt - Delhi.
Dort wo sich heilige Kuehe in den Strassen ausruhen, wo Affen ueber die Daecher rennen und sich lustig an irgendwelchen Verstrebungen ueber die Strassen rutschen lassen, wo Radios am Strassenrand repariert werden, wo man auf der Strasse musiziert und auch sonst alles recht bunt durcheinander geht, da war es fuer uns am interessantesten.

Auf einem grossen Platz vor dem Roten Fort schauten wir einer Gruppe von Schlangenbeschwoerern zu. Die Schlangen waren allerdings recht muede, und die Vorfuehrkuenstler mussten immer mit den Haenden nachhelfen. Ihre mueden Wuermer wollten einfach nicht nach der Pfeife tanzen.

Hier haben wir auch einen recht unvorteilhaften Geldtausch hinter uns gebracht. Gluecklicherweise handelte es sich dabei nur um 40 Dollar. Der Kurs den der Haendler anbot war nicht schlecht. Beim Vorzaehlen hatte er allerdings nur einen Schein gerade in der Hand. Die anderen Scheine waren geknickt, sodass er sie doppelt zaehlen konnte. Als ich das beim Nachzaehlen an einer ruhigen Ecke spannte, war der Haendler allerdings schon weg. Beim Vorzaehlen war alles sehr schnell gegangen. Anschliessend hatte er gesagt, wir sollten das Geld gleich einstecken, weil Schwarztausch streng bestraft wuerde. Wir waren eine Erfahrung reicher und ein paar Kroeten aermer.

Sehr angenehm war der anschliessende Spaziergang durch das Rote Fort und die grosse Moschee. Letztere durfte ich allerdings in meiner kurzen Hose nicht betreten. Am Eingang bekam ich gegen ein kleines Trinkgeld einen stark verschmierten, wahrscheinlich schon oft verliehenen, Stoffetzen um den Bauch geschlungen, der bis zu den Fuessen reichte. Nun war ich geruestet vor Allah zu treten.

Nachdem wir uns so gut es unsere Zeit zuliess umgesehen hatten, starteten wir am Nachmittag zur naechsten Teilstrecke. Auf dem Weiterweg ueber Rampur, Luknow, Gorhakpur in Richtung nepalische Grenze war noch einiges geboten. Vorallem mussten wir zu unserem Bedauern feststellen, dass sich der Monsun wesentlich verspaetet hatte. Wie ueblich wollten wir, um der groessten Hitze zu entgehen, eine Nachtfahrt einlegen. Wir sind dabei allerdings ordentlich ins Schwitzen gekommen, vor Aufregung.

Der Himmel war ploetzlich trueb und es setzte ein wahrer Wolkenbruch ein. Die Strasse stand streckenweise unter Wasser, und bildete mit den seitlichen Wiesen einen grossen See. Ich konnte den Verlauf nur noch an den am Rande stehenden Baeumen ausmachen. Das Wasser floss wie bei einem riesigen Strom von der rechten Seite, zur linken wahrscheinlich tiefer gelegenen Wiese. Ein Ende war nicht abzusehen. An Umkehr war auf der schmalen Strasse nicht zu denken.

Die Asphaltdecke hat in Indien meist nur 1,5 Autobreite. Wenn sich 2 Autos begegnen muessen beide mit jeweils 2 Raedern ueber eine unvermittelte Stufe vom Asphalt herunter. Es stellte sich die Frage, ist die Strasse ueberhaupt noch durchgehend vohanden, und wie tief ist die tiefste Stelle?

Inzwischen war es Nacht. Im Scheinwerferlicht sah die Sache noch wilder aus. Der Auspuff lag zeitweise bereits unter dem Wasserspiegel. Vollgas hiess jetzt die Parole, damit der Auspuff sich frei blaesst und der Motor nicht abstirbt. Pustekuchen!    Das Wasser schlug ueber Windschutzscheibe und Dach. Ich konnte nichts mehr sehen. Kupplung schleifen lassen war die einzige Moeglichkeit.
Nur den Motor nicht absterben lassen. Eine Nacht in diesem See waere das Letzte. Wer weiss wie hoch das Wasser noch steigt? Wir waren gluecklich als wir am Morgen Rampur erreichten. Dort standen Kolonnen von LKW's. Alle hatten ihre Fahrt wegen des Hochwassers unterbrochen. Wir waren seit Tagen das einzige Fahrzeug das die Strecke passiert hatte. Ahnungslose brauchen dazu nicht viel Mut.

In Luknow erlebten wir eine indische Hochzeit mit Elefantenreitern und einem sehr buntem Festzug. Wir besichtigten diverse Bauten und eine Musikhochschule. Auch bekamen wir eine Einladung in ein vornehmes Lokal. Als es ans Bezahlen ging merkte der Gastgeber, dass er kein Geld dabei hatte. So wurden wir die Gastgeber.

Kurz vor der nepalischen Grenze ueberraschte uns nachts nochmal ein starker Monsunregen. Hier wollte ich auf Sicherheit gehen. Bei ein paar einsamen Huetten lenkte ich unser Auto rechts heran. Schon steckten wir bis zu den Achsen im Schlamm. Wir sassen fest und konnten daran momentan nichts aendern. Wir machten uns schlaffertig. Das Auto brauchten wir zu diesem Zweck nicht verlassen. Der auf das Dach prasselnde Regen, und der Morast um uns herum, stoerten uns vorerst nicht.

Als der Regen nachliess klopften ein paar dunkle Gestalten an die Scheibe, und deuteten ob sie beim Herausschieben helfen sollten. Wir schoben das Auto auf einen befestigten Streifen vor einer Huette. Dort wurden wir zum Bleiben eingeladen. Eine Kinderklinik war in der Lehmhuette untergebracht. Ein schwarzer Mann mit Lendenschurz stellte sich als Doktor Rama Nand Singh vor. Er war der Chefarzt, und das Universalpersonal der Kinderklinik von Kolutai.

Wir wurden mit schaerfster indischer Kost versorgt, und immer wenn ich das Gesicht verzog ertoente schallendes Gelaechter. Sogar Betelblaetter mussten wir essen. Es folgte ein langes Gespraech. Beruf, Familienverhaeltnisse, Herkunft und mehr wollten sie wissen. Dann die Frage Ost- oder Westdeutschland? Haette nie geglaubt dass die Menschen in einem so abgelegenen Weltenzipfel zweierlei Deutschland unterscheiden. Westdeutschland gut, meinten sie. Dann kam die Frage nach Hitler. Ich sagte der ist tot, aber vorher hat er viel kaputt gemacht. Wir haben jetzt Kiesinger.

Kiesinger kannten sie nicht. Hitler war fuer Indien gut, meinten sie. Ohne Hitler waere England nicht soweit geschwaecht worden, dass Indien die Freiheit bekommen konnte. Und jetzt braeuchte Indien einen Hitler, der die Arbeitslosigkeit beseitigt. Aus dem Blickwinkel dieser Menschen sah vieles anders aus. So ist die Welt. Der Morgen nahte bereits als unsere Gastgeber unter dem Vordach Moskitonetze fuer uns aufspannten.

Bei Nautanwa passierten wir am Vormittag die Grenze. Butwal war bald erreicht. Dann war die Strasse zu Ende. Der Monsunregen hatte alles unpassierbar gemacht. Wir mussten den Wagen hier lassen, und von Bairawa aus fliegen. Unsere Gebirgsausruestung haben wir auf das Noetigste reduziert und in Packsaecke verstaut. Trotzdem kamen noch 250 kg auf die Waage. Die Maschine hatte Motorschaden. Wir waren froh als sich der Vogel mit 5 Stunden Verspaetung endlich erhob. Unser Visum fuer Nepal gestattete nur den Besuch von Kathmandu. Auf weitere Genehmigungen konnten wir nur hoffen. Bergbesteigungen, sagte man uns, brauchen eine sehr teure Expeditionsgenehmigung, Wanderungen ein Trekkingpermit. Die Grenze ist fliessend.
Bei einer Zwischenlandung in Pokkhara liessen wir unser Gepaeck zurueck. Die Flugunterbrechung wurde wegen der Verspaetung auf 5 Minuten reduziert. Da es auf der Landewiese ausser einem Baum nichts gab, schnappte ich mir einige junge Burschen und sagte Tibetan Hotel. Es gab zwei. Ich zeigte nach rechts, und schon trabten sie los. Vor einer Huette mit der Aufschrift Himalayan Hotel legten sie die Sachen ab. Ich drueckte jedem 1 Rupee in die Hand und schon waren sie fort.

Im sogenannten Hotel war kein Mensch zu finden, und die 5 Minuten waren schon um. Schliesslich fand ich ein Maedchen. Ihr deutete ich an, dass wir demnaechst zurueck kaemen und rannte schwitzend zur Maschine. Alle Passagiere sassen bereits auf ihren Plaetzen. Die Tueren wurden geschlossen und ab ging's. Der Inge sagte ich, hoffentlich sehen wir die Klamotten wieder. Wir flogen durch Wolken. Vom Gebirge sahen wir nicht viel.


ANMARSCH  ZUM  BASISLAGER

Nachdem wir uns in Kathmandu einquartiert hatten, unternahmen wir einen abendlichen Bummel. Wir hatten viel Glueck, es war gerade ein grosser Feiertag. Es war der Tag des Kumarifestes. An diesem Tag darf die lebende Goettin ihren Palast verlassen. Es ist der vierte Tag innerhalb eines achttaegigen Festes zu Ehren des Regengottes Indra. Der Termin wird von den Priestern nach allen moeglichen und unmoeglichen Fakten berechnet, und erst kurz vorher bekanntgegeben. D.h. man kann nicht mit dem Vorsatz diesen Tag zu erleben nach Nepal reisen, es sei denn man hat sehr viel Zeit zum Warten.

Die Kumari wird im Alter von 3 Jahren, wie alle Inkarnationen, nach verschiedenen Merkmalen von den Priestern ausgewaehlt. Anschliessend wird die Wahl geprueft. Vor den Augen des Kindes wird einem Bueffel mit dem Gurkhamesser der Kopf abgeschlagen. Wenn das Kind nicht weint wird es zur Goettin erklaert und kann in den Kumaritempel einziehen. Dort bleibt es bis zur ersten Menstruation. Danach gilt es als unrein und muss den Tempel verlassen. Die Nachfolgerin wird auf die gleiche Art ausgesucht.

Waehrend ihrer Zeit als Goettin darf die Kumari den Tempel nicht verlassen, ausser am Tag des Festes fuer etwa 4 Stunden. Von einer Saenfte wird sie auf einen hohen vierraedrigen Wagen mit starker Deichsel gehoben. Den Boden darf sie nicht betreten. Kraeftige Maenner ziehen dann das knarrende Gefaehrt unter dem Jubel der Bevoelkerung durch das abendliche Kathmandu. Vor dem Wagen der Kumari werden zwei kleinere Waegen mit Inkarnationen der Goetter Ganesh (Gott aller Anfaenge oder Elefantengott) und Bhairab (Gott der Luefte) einhergezogen. Diese zwei Knaben sind nur fuer diesen einen Abend Gott.

Die Standbilder der Goetter sind an diesem Abend reich mit Blumen geschmueckt. Die Kumari klebt waehrend des Umzuges geweihte Reiskoerner mittels einer roten Blumenpaste auf die Stirn der Glaeubigen. Die Zeremonie der Reiskoerner wird aber auch sonst betrieben. Vor den Goetterstandbildern sind kleine Schalen. In diese werden staendig Blueten und Reis gelegt. Wenn die Blueten sich langsam aufloesen, kleben sich die Hindus damit den Reis selbst auf die Stirn. Durch die Lagerung in der Opferschale ist der Reis automatisch heilig geworden. In der Stadt lebende Inderinnen tragen den roten Punkt als symbolisches Gegenstueck.

Vieles was wir an diesem Abend erlebten war uns fremd. So z.B. ein riesiger Daemonenkopf der das ganze Jahr unter Verschluss steht, und nur am Festtag frei gegeben wird. Auf seiner Rueckseite wird ein grosses Fass geweihtes Bier angeschlossen. Dann bekommt er eine Bambusroehre in den Rachen. Die Bevoelkerung balgt sich dann unter dem herausschiessenden Strahl. Die meisten haben dabei mehr gebadet als getrunken.

Als die Kumari an uns vorbeigefahren wurde, habe ich den Tumult genutzt und mich unter die Wagenlenker gemischt. In meinen duennen Ueberhosen unterschied ich mich kaum von den Nepalis. In einem guenstigen Augenblick bin ich auf den Wagen geklettert. Bis auf 80 cm war ich an die Kumari heran. Wollte ein Portraet machen, aber der Blitzer versagte. Goettliche Fuegung? Ich wurde entdeckt und vom Wagen gezogen. Trotzdem war ich beglueckt. Wer kommt schon einer Goettin so nahe?
Bis tief in die Nacht haben wir am bunten Treiben teilgenommen. Erst als wir uns schlafen legten bemerkten wir, dass wir noch nichts gegessen hatten.

Am Folgetag standen Formalitaeten zur Erlangung des Trekkingpermits im Vordergrund. Die nach Antragsabgabe erforderliche mehrtaegige Wartezeit haben wir mit Besichtigungen ausgefuellt. Zwei museumsreife Fahrraeder aus einem Leihgeschaeft leisteten dabei gute Dienste. Bei der herrschenden Affenhitze hat es uns auf diesen alten Tretmuehlen den Schweiss ordentlich aus den Poren getrieben. Die Strecken waren nicht kurz, und wir wollten moeglichst alles sehen. Fahrradpannen sorgten fuer zusaetzliche Spannung.

Das Tal von Kathmandu ist reich an altem Kulturgut. Hinduistische Pagoden, reich verziert mit schoenen Schnitzereien, stehen dicht bei buddhistischen Stupas mit fest installierten Gebetsmuehlen. Sogar im, auf bewaldeter Hoehe gelegenem buddhistischen Kloster von Swayambunath hat ein Hindutempel Platz gefunden. Die religioese Toleranz ist gross. Wie klein ist dagegen der menschliche Geist mancherorts im gesitteten Europa? Ich denke da z.B. an religioese Unruhen in Irland.

Die ewig laechelnden immer zufriedenen buddhistischen Moenche, haben wohl einzigartige innere Qualitaeten. Sie fuehren meist nur einige Jahre ein Klosterdasein. Dennoch erkennt man ihr Laecheln wahrscheinlich fuer den Rest ihres Lebens.

Im Kloster Swayambunath leben neben den Moenchen auch zahlreiche Affen. Sie bedienen sich vom fuer die Buddhas geopferten Reis. Sie sitzen neben und auf den Buddhas, und tummeln sich zwischen den Moenchen. Wir haben mit ihnen gespielt indem wir Bananen obenauf in unseren Rucksack schnuerten und die Affen aufschnueren liessen. Das war fuer uns ein Heidenspass. Bis Freund Pavian an einem meiner Objektive Gefallen fand. Ich hatte alle Not es zurueck zu bekommen.

Unser Trekkingpermit erhielten wir mit dem von mir gewaehlten Gummitext. Er lautetete : Modi Khola Tal und Annapurnafuss rundum. Das sagte alles und nichts. Wir konnten es auslegen wie wir wollten. Was ist eigentlich der Annapurnafuss? Fuer mich war es das Gabelhorn. Aber wir haetten uns auch einen anderen Zapfen aussuchen koennen. Ich hatte was ich wollte, einen Freifahrschein. Leider wurde die Zeit knapp, denn unser geplanter Abmarschtermin  war laengst ueberschritten.

Vor dem Abflug nach Pokkhara sahen wir noch, wie ein gut gekleideter Herr mit Diener eine Kuh von einem Silbertablett mit 3 verschiedenen Speisen fuetterte.
Im Himalayahotel in Pokkhara fanden wir all unsere Sachen wieder. Kein Stueck fehlte. Wenngleich das Hotel von aussen einen wackeligen Eindruck machte, war es innen recht sauber. Die Tochter unseres Wirtes fuehrte mich auch in den Familienschlafraum. Dort hing ein Dalai Lama Bild an der Wand, unter dem Talglichter aufgereiht waren. Als sie sah, dass ich die Dinge betrachtete sagte sie andachtsvoll zu mir : " Wir sind Buddhisten. Das ist der Dalai Lama, unser Gott." Ich konnte solches noch oft beobachten.  Fuer Europaeer ist es kaum zu glauben mit welcher Inbrunst da ein Mensch angebetet wird.

Am anderen Morgen schafften Traeger unser Gepaeck in das etwas ausserhalb gelegene Tibetercamp. Unser Rasthaus hier war vorwiegend aus Bambusstangen und Matten errichtet. Die Innenwaende waren mit Zeitungen tapeziert, die gelegentlich mit dem Portrait Mao Tse Tungs illustriert waren. Welche Ironie, das Bild Maos ganz friedlich neben dem des Dalai Lama. Ein Junge der uns zum Campleiter fuehrte zeigte uns sein Amulett und sagte genauso inbruenstig wie am Vortag das Maedchen im Hotel :  " Der Dalai Lama, mein Gott."

Wir hatten 7 Anmarschtraeger angeworben, denen wir auch gleich warme Unterwaesche fuer weiter oben verteilten. Dadurch zaehlte diese nicht zum Gewicht der schon etwas reichlichen Lasten. Zwei der Traeger sollten spaeter bei uns im Basislager bleiben. Wir hatten wegen der Kosten nur Tibeter. Auf dem Anmarsch hat sich das bewaehrt. Sie waren sehr willig. Weiter oben fehlte ihnen aber die Bergerfahrung und gelegentlich hatten sie auch Angst.

Am Morgen des 04.10. setzte sich unsere Kolonne endlich in Bewegung. Vier Tage marschierten wir bis Kamrung, der letzten Ortschaft. Die herrliche Gestalt des Machapuchare, des heiligen Berges von Nepal oft vor Augen, machte es doch den Eindruck als kaemen wir kaum naeher. Tragtiere sind in Nepal nicht ueblich. Seit jeher wurde alles auf Menschenruecken getragen. Deshalb sind grosse Teile der Wege mit Stufen versehen. Fuer uns war das Gehen auf diesen schier endlosen Treppen ungewohnt und wir bekamen das bald ordentlich in den Oberschenkeln zu spueren.

Von Kamrung fuehren nur noch schmale Jaegerpfade durch den Bambusurwald. Zwei Tage ging es durch recht unwegsames Gelaende. Zahlreiche Blutegel machten uns hier zusaetzlich zu schaffen. Sie leben am Erdboden und auch auf Baeumen. Sie lassen sich herunter fallen, und sie kriechen durch die Schuhoesen. Wenn sie sich erst mal angesaugt haben, kann man sie nicht aus der Wunde reissen. Der Kopf bleibt immer drin. Mit Salz bestraeuen ist eine Moeglichkeit sie zu beseitigen. Am 10.10. errichteten wir unser Basislager in 3700 m Hoehe. 


AM  BERG

Das Lager stand eigentlich zu tief. Leider konnte ich die Traeger nicht dazu ueberreden noch ein Stueck in Richtung Oestlicher Annapurnagletscher zu gehen, weil fruehere Expeditionen immer zum Westlichen Annapurnagletscher aufgestiegen waren. Also Lager am Abzweig der beiden Taeler, Traeger auszahlen und zurueck schicken. Den Rueckmarschtermin vereinbarten wir fuer den 22.10. Unsere Zeit war knapp. Um Umwege und Rueckzuege zu vermeiden ging ich zunaechst allein auf Erkundung und legte die Route fest.

Am 12.10. zogen wir mit 2 Hochtraegern los. Die Ueberquerung zweier Gletscherbaeche bildete ein erstes zeitraubendes Hindernis. Viele Felsbrocken waren erforderlich um einen Pfad zu bauen. Die Felsen waren hier bis auf 4500 m aper und bewachsen. Alles war sehr schmierig. Steile Grashaenge mussten wir teilweise mit Steigeisen gehen. Fuer uns bedeutete das keine Schwierigkeit,  fuer unsere Traeger schon. Am oberen Ende einer Geroellrinne musste ich ein Fixseil anbringen. Die Felsen waren mit einer duennen Wassereisschicht ueberzogen und darauf lagen 10 cm Pulverschnee.

Eine von einem Riss durchzogene Steilstufe folgte. Ich musste wieder ein Fixseil anbringen und die Traeger an einem zweiten Seil emporsichern. Dann wurde das Wetter auch noch schlecht. Gutes zureden half nichts. Jetzt war der Ofen aus. Ich fand einen Quergang durch den sich weitere Schwierigkeiten umgehen liessen. Auf einem Felsabsatz stellten wir ein Zelt hin, warfen alles hinen und stiegen zum Basislager ab.

Anderentags schleppten wir ein zweites Zelt und weiter Ausruestung da hinauf. Wir hatten unseren Felsabsatz noch gar nicht erreicht, als das Wetter schon wieder schlecht wurde. Wir sind auf dem Gratabsatz geblieben, und stiegen am naechsten Tag mit allem noch ein Stueck empor. Nun zeigte es sich, dass es ein Fehler war die Unterwaesche schon im Tibetercamp zu verteilen. Unsere Traeger hatten die Sachen gleich dort zurueck gelassen und froren nun erbaermlich. Auf einem grossen Gratabsatz mit herrlichem Ausblick errichteten wir schliesslich unser Hochlager 1.

Die Traeger, die in der Nacht sehr gefroren hatten, baten absteigen zu duerfen um waermere Sachen zu holen. Inge hatte Ruhetag. Ich erkundete eine neue Moeglichkeit fuer den Weiterweg. Die urspruenglich geplante Flanke war mit Inge allein, und ohne weiteres Zwischenlager kaum machbar. Wir wollten nun ueber einen Schneegrat und den rechterhand gelegenen Vorgipfel gehen.

Der Weg war muehsam. Grosse Felsbloecke und viel sumpfig weicher Neuschnee liessen mich immer wieder grundlos tief einsacken. Es war eine elende Schinderei. Aber dann fand ich einen schoenen Sattel fuer Hochlager 2, und eine Spur fuer die Traeger hatte ich auch gewuehlt. Denen missfiel es allerdings sehr, dass sie am naechsten Tag da hinauf sollten. Nur mit einer Verdoppelung des Tagessatzes konnte ich sie dazu bewegen.

Wir schafften nur ein Zelt auf den Sattel, denn die Traeger wollten nicht oben bleiben. Ich musste nun staendig mit der Zeit kalkulieren, damit die Abmarschtraeger nicht davon laufen, wenn wir am 21ten nicht zur Stelle sind. Ich bestellte deshalb Gaze und Tengy fuer den 19ten nach Lager 2. Dann verabschiedeten wir uns.

Unsere Rucksaecke waren sehr schwer. Ich hatte auch Fels- und Eishaken eingepackt. Wollte ich doch moeglichst neben dem Vorgipfel auch den Mittel- und Hauptgipfel erreichen. Doch da waren schwere Strecken zu erkennen. Ab 11 Uhr war das Wetter wieder schlecht. Den Kocher brachte ich nicht mehr in Gang. Aber wer braucht so kurz vor dem Gipfel noch etwas zu trinken?

Am 17.10. brachen wir gegen 3 Uhr morgens mit Westalpenausruestung und Stirnlampe zum Gipfelangriff auf. Zunaechst ueber flaches Gelaende, eine Steistufe rechts umgehend, dann wieder auf dem Grat. Wir kamen anfangs gut voran.
Mit zunehmender Erwaermung aenderte sich das. Bis zu den Knien, manchmal bis zum Bauch mussten wir uns durch den aufgeweichten Schnee wuehlen. Es war sehr anstrengend, und unser Tempo verlangsamte sich zusehends. Der Grat verjuengte sich nun zu einer spitzen Schneide. Den oberen Spitz bildete der waehrend des Monsuns gefallene, noch nicht zusammengesetzte Neuschnee. Nach beiden Seiten loesten wir staendig starke Schneerutsche, ja teilweise regelrechte Lawinen aus. Es war schwierig in diesem Schneebrei immer den festen Untergrund zu finden.

Das normalerweise gegen 11 Uhr einsetzende Schlechtwetter schien an diesem Tage auszubleiben. Inge mahnte eine Rast an. Etwas fuer den Magen konnte kein Fehler sein. Ausserdem konnte sie kaum noch. Rasten war leicht gesagt, aber wo? Mit dem Pickel schob ich den weichen Schnee zur Seite, und konnte so arg schwitzend einen Sitzplatz bereiten. Ich versuchte Ovomaltine zu kochen. Aber sobald sich der Kocher etwas erwaermte, gab der Schnee nach und unsere Kochmaschinerie samt Becher und Inhalt geriet ins Wanken. Trockene Kost brachten wir nicht durch unsere ausgetrockneten Kehlen. Also weiter probiert.

Lang dauerte die Prozedur und schliesslich wurde das Wetter doch noch schlecht. Inge fing an zu handeln, ob wir nicht doch hier bleiben sollten, da sie der schwere Rucksack, der tiefe Schnee, die Hoehe und was weiss ich noch alles, schon sehr angestrengt hatten. Der rechte Vorgipfel waere auch ein schoener Erfolg und dann koennten wir am Morgen das schwere Eisenzeug hier zurueck lassen. Ausgeruht ginge es sicher wieder besser und so weiter.

Meine Enttaeuschung war gross. Was half's. Ich richtete den Biwakplatz. Unter der Schneehaube war Blankeis. Auch das noch. Ich schlug eine Art Sitzbadewanne aus. Eisschrauben zu unseren Fuessen im Blankeis sorgten fuer Sicherheit. Der Seitenrand unseres Sessels war weich und taugte nicht viel. Es wurde Zeit in Daunenjacke und Biwaksack zu schluepfen. Es stuermte wieder kraeftig. Auch geschneit hat es kraeftig. Wir mussten staendig die Schneelast vom Biwaksack abwerfen. An kochen war nicht mehr zu denken.

Wie in so manchem Biwak haben wir uns dem Morgen entgegengezittert. Die Innenseite des Biwaksackes war schon nach kurzer Zeit mit Eis ueberzogen. Als es hell wurde bin ich herausgekrochen. Wollte mir die Fuesse vertreten. Ein Schluck Kongnak brachte das Blut wieder in Wallung. Der Himmel war klar. Ueber mir lockte der Gipfel.

Inge ging es anders. Ihr Auftrieb war restlos dahin. Zureden half da nichts. Ich schlug vor allein zum rechten Vorgipfel zu gehen, und Inge am Rueckweg mitzunehmen. Auch diesen Kompromiss schlug sie aus. Sie sagte : "Du kannst mich doch nicht den ganzen Tag allein hier auf dieser kleinen Ecke sitzen lassen. Ich habe dann nicht einmal einen Biwaksack, wenn das Wetter wieder schlecht wird. Ach bitte schaff mich doch runter". Schweren Herzens gab ich nach. Mir blieb nichts anderes uebrig. Die Umkehr an dieser Stelle hiess Verzicht. Aufgrund der vereinbarten Traegertermine war die Moeglichkeit fuer einen spaeteren Alleingang nicht gegeben.

Der Rueckzug verlief reibungslos. Am 19.10. trafen Gaze und Tengy im Lager 2 ein. Am 22.10. puenktlich 10 Uhr erschienen die Abmarschtraeger im Basislager. In den Tagen dazwischen haben wir die Hochlager ordnungsgemaess geraeumt. Aufgrund von Zuschlagszahlungen erreichten wir Pokkhara bereits am 27.10.


HEIMREISE

Der Abschied von unseren Traegern war recht harmonisch und nicht nur von der Auszahlung bestimmt. Ich musste mich gleich um Flugtickets bemuehen. Alles war ausverkauft. Mir blieb nichts uebrig als am naechsten Morgen wieder zur Flugwiese zu gehen.

Wir nutzten die Zeit zu einer Einbaumfahrt auf dem Phewa Lake und zu einem Tempelbesuch. Kinder klebten uns dort den heiligen Reis auf die Stirn. Der Geruch der Blumenpaste war grausig, zumal die Stirn nicht weit von der Nase entfernt ist. Wir haben es ertragen.

Auch die naechsten 5 Tage war kein Flugticket erhaeltlich. So konnte es nicht weiter gehen. Irgendwann musste ich wieder zur Arbeit. Als Ausweg blieb nur eine Jeepreise nach Butwal. Die Verhandlungen waren schwierig. Jeep's haben keine Festpreise. Die Tochter des Hotelbesitzers, der wir Kleidungsstuecke geschenkt hatten, loeste das Problem. Fuer das Hotel war das kein Vorteil, denn es stand nahezu leer. Aber Tibeter sind hilfsbereite, freundliche, ehrliche und gutmuetige Menschen. Die grosse Ruhe und Erhabenheit des Buddhismus strahlt geradezu aus ihnen.

Die Jeepfahrt war ein Abenteuer. Fuer meinen Wagen war ich froh, dass die Strasse nicht passierbar gewesen war. Voraussichtlich haette ich ihn als Schrott zuruecklassen muessen. Von Strasse konnte stellenweise keine Rede sein. Selbst der hoch sitzende Jeep schliff oft am Boden. Mehrmals hing er fest und wir mussten schieben. Die Reifenpannen und sonstigen Schaeden habe ich nicht gezaehlt. Obwohl wir frueh starteten haben wir die 180 km an einem Tag nicht geschafft. Dabei hatten wir 600 m Hoehendifferenz nach unten.

Um seinen Jeep oekonomisch auszulasten, hatte unserer Fahrer unsere Packsaecke auf dem Dach verstaut  und 3 zusaetzliche Passagiere angeworben. Bei einem Schlagloch riss die morsche Plane. Das Gepaeck regnete auf die Koepfe der Mitfahrer.  Begleiterscheinungen.

Vor einem Fluss, der wegen hohem Wasserstand nicht durchfahrbar war, endete der erste Teil der Reise zu naechtlicher Stunde. Der Fahrer verwiess auf unser Gepaeck und herumstehende Traeger. Waehrend ich zahlte verschwanden diese mit unserem Gepaeck in der Dunkelheit. Wir hatten Muehe ihnen zu folgen. Auf schmalem Gesims, entlang einer Felswand, ging es zu einer Haengebruecke. Inge kam auf dem schwankenden Gebilde schlecht voran, wodurch sich unser Abstand zu den Traegern wieder vergroesserte.

Am Brueckenende musste ich Brueckenzoll zahlen. Nun waren alle weg. Wir tappten ziemlich orientierungslos durch die Nacht. Da kamen uns die Traeger wieder entgegen und liefen nun in eine andere Richtung. Wir verstanden das zwar nicht, liefen aber hinterher. Vor einer Huette setzten die Traeger die Lasten ab, verlangten Bezahlung und verschwanden in der Nacht. Wir wussten nicht wo wir uns befanden. Eine junge Frau kochte auf der Tuerschwelle Tee. Ich kaufte zwei. Wir setzten uns auf die Schwelle. Mit zusammengekratzten Englisch fragte die Frau ob wir bleiben wollten. Wir bejahten.

Es handelte sich um eine Herberge. Die Frau war die Wirtin. Unser Gepaeck wurde ins Innere gebracht. Es wurden Strohmatten ausgerollt. Wir verbrachten die Nacht  zwischen etwa 30 Nepalis am Fussboden. Am Morgen ging es per LKW nach Butwal.
Ohne Aufenthalt fuhren wir, nunmehr wieder im eigenen Wagen, in Richtung Benares. Bei Freund Dr. Rama Nand Singh legten wir einen kleinen Zwischenaufenthalt ein. Unsere Zeit war nun knapp.

Den sehr breiten Ganges haben wir zu naechtlicher Stunde per Floss ueberquert. Am Morgen erreichten wir Benares. Schon bei Sonnenaufgang war die Hitze drueckend. Am Gangesufer sahen wir grosse Ansammlungen von Hindus bei ihren rituellen Waschungen. Wir mieteten ein Boot und liessen uns hinausrudern. Wollten alles vom Wasser aus beobachten.

Ein Stueck stromauf sahen wir die Leichenverbrennungen. Der Tote wird in ein Leichentuch gehuellt an zwei Bambusstangen zum Verbrennungsplatz getragen. Arme Leute bekommen nur eine Bambusstange. Vor der Verbrennung wird die Leiche in den Ganges getaucht. Letzte Waschung. Anschliessend kommt sie auf den Scheiterhaufen. Heilige Maenner  waelzen sich in der Totenasche und beschmieren sich damit Koerper und Haar. Rote Schminke ergaenzt ihr komisches Aussehen. Sie lesen in heiligen Buechern und leben von Spenden.

Was da so geschieht ist fuer Europaeer nicht recht verstaendlich. Waere aber alles was in Europa geschieht fuer den Durchschnittsasiaten verstaendlich? Ich glaube nicht.

Die Asche der Toten wird in den Ganges gestreut, bzw. anderswo in einen anderen Fluss. Fuer einen strengglaeubigen Hindu ist es ein besonderes Anliegen, nach seinem Tode in den heiligen Ganges gestreut zu werden und sich zu Lebzeiten gelegentlich im Ganges von allen Suenden rein zu waschen. Heilige Maenner und Kinder koennen auf das reinigende Feuer verzichten und werden unverbrannt mit einem Stein beschwert im Fluss versenkt. Das traege dahinfliessende Wasser ist arg verschmutzt. Unterhalb wird gebadet und das Wasser auch getrunken. Der Gesunde vertraegt es, der Schwache kommt schon als Kleinkind um. Natuerliche Auslese.

In Benares steht ausserdem ein goldener Tempel. Die indischen Hindus haben einen Vielgoetterhimmel. Die wichtigsten Gestalten sind Brahma, Wishnu und Shiwa. Der Hauptgott von Benares ist Shiwa der Zerstoerer und gleichzeitig Schoepfer der Zeugungskraft ist. Daraus resultiert der Phalluskult. Im goldenen Tempel, der nur von Hindus betreten werden darf, steht ein besonders grosses Exemplar davon. Religioese Toleranz ist in Benares nicht ueblich. Vor der Moschee der Moslems stehen Wachen.

Nach unserer beschaulichen Bootsfahrt haben wir eine Seidenweberei besichtigt, in der in muehevoller Arbeit 7 m lange Saris aus hauchduennen Faeden gewebt werden. Um das Gewebe dicht zu machen wird dabei jeder einzelne Faden an den Vorgaenger herangeklopft. Das alles geschieht in kleinen Lehmhuetten, wo auch die Seide gefaerbt wird. Wir mussten weiter. Das Taj Mahal, ein indisches Juwel wollten wir auch noch besuchen. Der Besucher auf den dieses Bauwerk keinen Eindruck macht, ist wahrscheinlich durch nichts zu beeindrucken. Es gibt genuegend Bilder und ausfuehrliche Beschreibungen davon, ich kann mir das sparen.

Unser naechtes Ziel war Amritsar mit dem Goldenen Tempel der Sikhs. Vorbei an Baeumen voller bunter Papageien, an Affen, scharen von Aasgeiern, heiligen Kuehen, schoenen Blumen und vielem mehr, ging die Fahrt. Am Tempel bekamen wir ein Kopftuch verpasst und mussten die Schuhe ausziehen. Das ist so Sitte.

Der Tempel ist von einem grossen Wasserbecken umgeben, ueber das ein schmaler Steg zum Eingang fuehrt. Das goldglitzernde Spiegelbild des Tempels im Wasser ist eine Augenweide. Wir hatten das Glueck, einen Singh zu treffen, der uns vieles erklaerte. Was uns Deeder Singh erklaerte ist in kurzen Worten zusammengefasst etwa folgendes :

Der Haupttempel der Sikhs steht in Amritsar. Sie haben keine bestimmte Gottesvorstellung. Sie sagen, es muss groessere Kraefte geben, als sie der Mensch besitzt. Es muss etwas geben das die Welt zusammenhaelt, sie in Gang haelt. Sie massen sich nicht an zu wissen, was das ist und wie es funktioniert. Sie nennen es Gott.. Fuer sie hat Gott keine Wesensart. Gott ist fuer die Sikhs ueberall. Deshalb hat ihr Tempel von allen Seiten Eingaenge. Diese Eigaenge haben noch eine weitere Bedeutung. Die Sikhs vertreten die Anschauung, alle Menschen sind ihre Brueder. Alle Religionen verehren die gleiche uebermaechtige Kraft, ganz egal wie die Glaeubigen sich ihren Gott oder ihre Goetter vorstellen. Den Anhaengern anderer Religionen faellt es nur schwer an etwas zu glauben, das sie sich nicht vorstellen koennen. Deshalb stellen sie sich Gott in einer Wesensart vor.

Bei den Sikhs gibt es keine Priester, keine Heiligen, keine Propheten und keine Kirchensteuer. Ihre Tempel bauen die Sikhs zu Ehren Gottes in Freiwilligen Arbeitsstunden. Jeder Sikh hat das Beduerfnis das Hauptheiligtum einmal in seinem Leben zu sehen. Kommt er nach Amritsar, so leistet er entsprechend seinen Faehigkeiten einige Arbeitsstunden, da wo gerade eine Arbeitskraft benoetigt wird. Dabei ist es gleichgueltig, ob er Taxifahrer oder Direktor ist. Die anfallenden Arbeiten sind sehr verschiedener Art.. Wer fuer die Fliessen des noch unfertigen Tempelhofes ungeeignet ist, passt auf die Schuhe auf, gibt Kopftuecher aus, musiziert, hilft in der Kueche, oder erklaert wie Deeder Singh irgendwelchen Fremden die Religion der Sikhs.

Als wir den Steg vom Tempelhof zum eigentlichen Tempel ueberschritten, mussten wir den Foto abgeben. Auch die Aufbewahrung der Kameras wird von freiwilligen Helfern ausgefuehrt. Deeder Singh sagte uns dazu : "Jeder darf in unsere Tempel und kann sich alles ansehen. Wir haetten auch nichts gegen das Fotografieren. Wir moechten aber keine religioese Geschaeftemacherei.  Wir verhindern dass die Bilder verkauft werden."

Die Einstellung gegen derartige Geschaefte ist ein unuebersehbares Merkmal der Sikhs. Alles was im und um den Tempelbezirk geschieht ist kostenlos. Ueberall sind freiwillige Helfer. Trinkgelder werden grundsaetzlich abgelehnt. Das bedeutet viel in Indien, wo man nicht nur gern Trinkgelder gern nimmt, sondern auch nicht abgeneigt ist zu betteln.

Von Deeder Singh haben wir noch vieles erfahren, ueber die Tempelmusik, die Verzierungen, die Buecher etc. Die Singh's ( Loewen ) sind eine Bruderschaft, die die Religion voll in sich aufgenommen haben. Wer Singh wird tauscht seinen Namen und nennt sich nun Singh. Die Brieftraeger werden davon weniger begeistert sein. 
Nachdem Deeder Singh uns noch zum Essen eingeladen hatte, verabschiedete er sich, um gleich andere Touristen durch den Tempel zu fuehren. Von Beruf ist er Strassenbauingenieur in Burma. Das hier war seine Urlaubsfreude.

An der pakistanischen Grenze hatten wir Schwierigkeiten. Uns fehlte ein in Delhi zu besorgendes Permit. Leider war gerade Sonntag gewesen, als wir Delhi passierten. Ich sass auf dem Hocker vor dem Zollbeamten, waehrend dieser mir die Angelegenheit mehrmals erklaerte. Der Stuhl war blockiert und ich verstand nicht. Immer wenn das Wort Delhi fiel, gab ich eine unpassende Antwort. Auch Asiaten verlieren irgendwann die Geduld. Einem hinter mir wartenden Kanadier sagte der Zoellner entschuldigend : "Das sind die Schwierigkeiten mit den Deutschen, die verstehen so schlecht englisch". Mir sagte er, er wolle mich ausnahmsweise so weiterreisen lassen. Das habe ich verstanden.

Auf der Anreisestrecke fuhren wir mit grossem Tempo heimwaerts. Unser Urlaub war laengst vorbei. Wir mussten und wollten wieder Arbeiten, wollten neues Geld verdienen. Nicht fuer ein dickes Konto, nein - fuer das naechste grosse Abenteuer !

Harry Rost, geschrieben 1969
 

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updated  02.05.14

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