Berge, Angst und Abenteuer

RKV-Huette im Rauschengrund, Elbsandsteingebirge

1945, mit Kriegsende wurde in Ostdeutschland der buergerliche Verein SBB verboten. Er passte nicht in eine sozialistische Gesellschaft. Die kleinen Bergsteigerklubs, die z.T. mit dem SBB eng verbunden waren, hatte man nicht extra angefuehrt. Soviel ich orientiert bin befanden sie sich in einer juristischen Grauzone. An eine Regelung fuer Neugruendungen hatte auch niemand gedacht. Wahrscheinlich waeren neue private Klubs auch unerwuenscht gewesen. Es sollten Betriebssportgemeinschaften nach sowjetischem Vorbild entstehen. Soetwas konnte man auch besser kontrollieren.

Die noch bestehenden Klubs waren oft mit kleinen Privathuetten ausgestattet, und hielten sich bedeckt. Schlafende Hunde soll man nicht wecken.

Ich war damals beim Touristenclub Bergfreunde 1916. Wir hatten eine Huette am Fuss der Schrammsteinkette. Das war damals sehr schoen. Aber die Kommunisten suchten Mitlaeufer. Da die Ablehnungsfront bei den Aktiven anfangs recht geschlossen war, suchten sie Anhaenger in der 2ten Reihe, und boten diesen auch Vorteile. Charakterschweine gibt es immer. So wurden sie dort fuendig. Wenn Schwaechlinge den Ruecken gestuetzt bekommen und sich dadurch stark fuehlen koennen, kosten sie dies aus und lassen die Muskeln spielen. Jetzt sind sie wer ! Das bekam ich auch auf der Bergfreundehuette zu spueren. Ich habe den Klub gewechselt.

Einige junge Bergsteiger zwischen Pirna und Wehlen hatten sich damals zur Rauschenstein Klettervereinigung ( RKV ) zusammengeschlossen, illegal, d.h. ohne Eintrag als Verein. Weiss nicht ob das ueberhaupt moeglich gewesen waere. Die hatten natuerlich keine Huette. Dafuer hatten sie auch kein Geld, und keine Chance. Bei einem Wohnraumanspruch von 8 qm sowieso aussichtslos. Fuer mich war wichtig, es waren keine Kommunisten, und es wollten auch keine werden. Ich trat diesem Klub bei. Wir uebernachteten unter Ueberhaengen, z.T. zu sogenannten Freiboofen hergerichtet. Im Winter war das allerdings sehr ungemuetlich.

Eine winterfeste Unterkunft waere schon schoen, eine Huette halt. Irgendwer fand dann im Rauschengrund ein stark ueberwoelbtes Band, das nur durch einen Kamin erreichbar war. Wir haben das mehrfach begutachtet, und dann fuer i.O. befunden. Die Sache war ausbaufaehig. Wenn ich mich recht erinnere war das 1950.

Das Konzept war bald klar. Fussboden und Zimmerdecke, sowie zwei Seitenwaende, sollte die Natur bieten. Die fehlenden beiden Waende wollten wir im Blockhausstil errichten. Nun gingen wir zum Wochenende nicht mehr Klettern, sondern zum Baeume faellen und zum Huettenbau. Im Rauschengrund sang die Saege. Wir haben die Staemme gleich dort fertig bearbeitet und auf die richtige Laenge geschnitten. Danach wurden sie ueber den Kamin aufgeseilt. Herbert Wuensche uebernahm das Ausklinken der Ecken per Beil. Als Dichtmasse zwischen den einzelnen Staemmen diente ein Lehmbrei mit gerupftem Gras. Von aussen haben wir zusaetzlich Sand und Steine aufgeschuettet.

Herbert Wuensche, Modellschreiner von Beruf, baute auch einen Fensterrahmen mit herausnehmbarer Scheibe und Fensterladen, sowie eine Tuer, richtig mit Scharnier. Der Rohbau war damit fertig. Die Felswaende bekamen eine Isolierverkleidung aus dicker Hartpappe. Die Schlafflaeche bildete aufgeschuettetes, mit einem grossen Leinenlacken ueberspanntes Stroh, mit einer Bank als Einfassung.

Wir konnten an den Wochenenden wieder zum Klettern gehen, aber jede freie Minute wurde fuer die weitere Ausstattung genutzt. Tisch, Regal fuer Toepfe und Tassen etc. Ein Ofen fehlte noch. Kaufen konnte man zu dieser Zeit so etwas nicht. Schliesslich fand sich ein alter Kanonenofen ohne Rost auf einem Schrottplatz. Der vordere Zahnkranz eines Fahrrades war die Problemloesung. Als Ofenrohr haben Herbert Wuensche und Harry Schoene nachts am Bahnhof Schmilka ein Zinkblechrohr ausgebaut, das dort als Schutz fuer die Stellkabel der Signale installiert war. Die Funktion der Signale war dadurch nicht beeintraechtigt.

Brennholz holten wir uns von den Stapeln mit blauem Kreuz. Die waren fuer die Russen, und von diesen bereits abgenommen. Den Forst stoerte das nicht. Der Winter konnte kommen. Herbert bekam dann doch irgendwie ein schlechtes Gewissen, zumindest gegenueber dem Forst. Er hat das dann in einem Gespraech mit dem Foerster von Reinhardsdorf sozusagen aussergesetzlich legalisiert. Wir mussten ein Vorhaengeschloss anbringen. Der Foerster konnte etwas Werkzeug bei uns einstellen, und damit unsere Huette als seine Werkzeugablage deklarieren.

Als Weihnachten kam sagte uns Harry Schoene, er haette da noch Igelittischdecken in einem Rucksack im Bielatal liegen. Den hatte er dort abgelegt, als er beinahe beim Schmuggeln erwischt worden war. Das waere doch schoen, wenn wir so was auf dem Weihnachtstisch haetten. Drei Mann hoch sind sie aufgebrochen. Aber die Vopo's hatten schon gewartet, wenn der Rucksack abgeholt wuerde.

Ueber Weihnachten sassen unsere Kameraden in Pirna im Knast. Um sie besser ueberfuehren zu koennen sperrte man sie in Einzelhaft. Aber Helmut Oehme, seines Zeichens Maurer, hatte gerade den Auftrag den Aussenputz zu erneuern. Er diente als Kurier zwischen den Zellenfenstern. So konnten die Aussagen zufriedenstellend abgestimmt werden. Nach 2 Wochen war der Knast beendet.

Wir fuehlten uns recht wohl auf unserer Huette. Auch im Winter war es gemuetlich. Unsere Ausruestung konnten wir nun gleich hier lassen. Was wollten wir mehr. So nebenbei haben dann Herbert Wuensche und Harry Schoene einmal nachts die Rote Fahne vom Bismarkfelsen geholt, die dort zum Stalingeburtstag am 21. Dezember gehisst worden war, und im Wald vergraben.

Den Vopo-Zoellnern waren wir schon oefters unangenehm aufgefallen, und den Linken von den Schmilkern auch. So z.B. als wir bei einer Wahl lauthals eine Kabine forderten, oder auch am 17. Juni 53 auf dem Postplatz in Dresden, wo Harry Schoene und ich das HO Cafe schlossen etc.

Als Herbert sich 1953 entschlossen hatte in die Freiheit des Westens zu wechseln, haben wir ordentlich Abschied gefeiert. Dafuer mussten wir einiges zur Huette schleppen, fuer die Pfirsichbowle und so. Die grossen Rucksaecke so in Grenznaehe, waren natuerlich verdaechtig. Die Vopo's liefen uns nach, aber wir haben sie abgehaengt.

Wir waren gerade so schoen am feiern, da sahen wir unten Taschenlampen. Der Funkenflug aus unserem Ofenrohr hatte uns scheinbar verraten. Die Vopo's schafften es bis unter den Kamin, dann gaben sie auf. Wir waren um diese Zeit schon voll in Stimmung, und riefen im Chor hinab :"Ihr Scheisskerle !" Das war das Todesurteil fuer die RKV Huette.

Zwei Bergsteiger-Kommunisten haben in der folgenden Woche die Arbeit erledigt, Benzin ausgeschuettet und angezuendet. Der Mantel des Foersters ist neben div. Bergausruestung etc. auch mit verbrannt. Es wurde so heiss, dass der ganze Ueberhang herunterbrach. Harry Schoene war noch mal dort. Er hat uns allen geraten uns die Sache nicht anzusehen.

Bald brauchten wir keine Huette mehr. Wir haben die Freiheit des Westens gewaehlt. Unser Klettergebiet lag nun in den Alpen.

Der Freund auf den Bildern ist der leider schon verstorbene Harry Schoene, mit dem ich am 17.Juni 1953 das HO Cafe am Postplatz in Dresden geschlossen habe.

Harry Rost, geschrieben 2006

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updated  02.05.14

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