Indien Reise 1991-92

Indien-Karte

Indien 1991-92 kurz

Indien Reise   Kurzbericht - Reiseroute

Reiseepisoden

Grenzuebertritt bei Raxaul

Probleme in Kathmandu. Unsere Bank hat Geld geschickt, das aber liegt in New York. Fax – Verkehr in Zeitlupe. Wenn Kathmandu wacht, schlaeft New York und umgekehrt.

28.11.1991, ein Freitag. Unser Visa ist abgelaufen. Ich muesste zur Verlaengerung zum Immigration Office, aber ich muss auch nochmal zur Bank. Langes Warten auf Auskunft. Das Geld ist da. Palaver und umstaendliche Abwicklung. Kurz vor Mittag haben wir das Geld. Laut Tourist Office wird eine geringe Visaueberschreitung toleriert.

Im Eiltempo zum Hotel, klatschnass geschwitzt. Der Bruder unserer Wirtin wollte die Bustickets besorgen. Das Geld hat er schon seit einer Woche. Den besten und neuesten Super-Deluxe-Touristbus hat er uns angeboten, 400.-Rs pro Ticket. Erst finden wir den Bruder nicht, dann hat er keine Tickets. Das Geld kann er uns auch nicht zurueckgeben, weil die Tickets angeblich schon bezahlt sind.

Ich moechte die Tickets gern an andere Touristen geben und uns Tickets fuer den Nachtbus kaufen. Bei Student-Travels will man uns diese Tickets bis 14 Uhr besorgen, fuer 240.-Rs pro Ticket, auch Super-Deluxe. Wir gehen essen.

14 Uhr erfahren wir bei Student-Travels, dass unser Hotel angerufen und Tickets fuer uns hat. Der Bruder ist allerdings wieder nicht da. Spaet am Nachmittag bringt er uns die Nachtbustickets. Er stoehnt, die Umbuchung so kurz vor der Abfahrt waere so schwierig gewesen, und natuerlich auch teuer. Er erwartet selbsverstaendlich auch noch etwas fuer seine Bemuehungen. Inzwischen sind wir bei 700.-Rs pro Ticket. Meinem ramponierten 5ten Halswirbel zuliebe will ich es gern zahlen, wenn nur die Fahrt einigermassen human verlaeuft.

Es ist bereits dunkel als wir in den Bus einsteigen. Viel koennen wir nicht sehen, aber schoen sieht er nicht aus. Armlehnen, Sitzverstellung, Fenster, alles kaputt. Zu spaet, wir muessen ihn nehmen.

Ein deutscher Tourist steigt ein. Er erzaehlt uns, dass er in einem Kloster war, und Kathmandu erst vor 2 Stunden erreicht hat. Ich frage ihn wie er so schnell zu einem Ticket gekommen sei. „Kein Problem, am Fahrkartenschalter, 77.-Rs". Es stellt sich heraus, dass wir in einem ganz ordinaeren Linienbus sitzen.

Man lernt nicht aus. Eine so nette Wirtin, eine so nette Familie, so korrektes Hotelpersonal und so ein schraeger Typ dazwischen. Ich hatte alles auf Vertrauen gemacht, haette mich in diesem Fall direkt geschaemt misstrauisch zu sein. Nun hatte uns dieser Typ so auf's Kreuz gelegt. Aergerlich! Der Preis waere noch zu ertragen. Ob es die Busfahrt auch ist?

Wir starten. Es sind noch Plaetze frei. Bei jedem der am Strassenrand winkt haelt unser Gefaehrt. Bald sind wir mehr als voll. Immer mehr Leute werden in den Hauptgang gezwaengt. Ein halbschlafender Mann faellt ueber mir zusammen. Wir haben Ende November. Die Nacht ist kuehl. Vom kaputten Fenster her zieht es. Die Strasse ist schlecht und die Federung noch schlechter. Alles klappert. Wir sitzen in einem rollenden Schrotthaufen.

Mein Genick schmerzt und bald auch der Kopf. Ich bin so aergerlich auf den Ticket-Typen, dass ich auch noch Magenschmerzen bekomme. Furchtbare Fahrt, wenn sie nur schon vorbei waere.

Gegen 6 Uhr am Morgen erreichen wir die Grenze. Unser Visa ist 6 Stunden ueberschritten. Der Zoellner moechte uns dafuer abkassieren, 20.-US-Dollar pro Person. (Natuerlich in seine Tasche.) Zahlen waere bequem, aber ich will nicht. Bin noch sauer wegen dem Busticket. Zum Brummschaedel bekomme ich noch einen Dickschaedel. Ich fordere den Zoellner auf in Kathmandu anzurufen, sage dass wir die Auskunft erhalten haben die wenigen Stunden wuerden nicht stoeren. Aber die Bueros arbeiten erst ab 10 Uhr.

Wir warten. Ein Japaner mit aehnlichem Schicksal sitzt neben uns. Ich fange mit ihm ein Gespraech an. Erzaehle von der vielen Entwicklungshilfe die Deutschland an Laender wie Nepal zahlt. Sage dass wir unsere Gaeste besser behandeln, dass die Organisation hier schlecht ist, und dass Touristen doch viel Geld ins Land bringen. Der Japaner haut in dieselbe Kerbe, und der Zoellner hoert mit.

Endlich wird es dem Zoellner zu viel. Er mischt sich ein und sagt, dass es Nepali's auch nicht leicht haben wenn sie nach Europa gehen. Worauf ich antworte, dass Leute die als Touristen Geld in irgendein Land bringen, ueberall gern gesehen sind. Viel fuer und wider, unsinniges Palaver.

Ploetzlich nimmt der Zoellner unsere Paesse, haut die Ausreisestempel hinein, und sagt: „You can go". Auch Asiaten koennen die Geduld verlieren. Wir bedanken und verabschieden uns.

 

Im  Sikh  Tempel  Von Patna

In Patna haben wir nach langer Suche ein schoenes Hotel gefunden. Moskitonetze sind leider nicht vorhanden. Die Tierchen stechen fuerchterlich waehrend der Nacht. Unsere Gesichter sind voller roter Beulen. Hoffentlich sind keine Anelopesmuecken dabei. Wir sind in einer Malariazone.

03.12 1991. Am Morgen fahren wir mit einem Skooter zum Sikh Tempel. Ein schoenes sauberes Gebaeude mit viel Marmor, in einem von Nenbengebaeuden eingerahmten Hof. (Eigentlich ist es mehr ein Tempelbezirk.) Erinnerungen an 1969, an den goldenen Tempel von Amritsar, werden wach. Ein Fremdenfuehrer zeigt uns alle wesentlichen Details. Bei den Sikhs ist alles kostenlos. Nach dem Rundgang gebe ich ihm 20.-IRs fuer seine Tochter. Weiss nicht, ob er das ohne diese Bemerkung auch genommen haette.

Im Unterschied zu Amritsar duerfen wir auch im Innenraum fotografieren. Wir lassen uns hier fuer einige Zeit mit dem Ruecken an die Wand gelehnt nieder. Es ist angenehm kuehl und eine feierliche Atmosphaere. Wir betrachten die Glaeubigen bei ihrer Andacht.

Es ist schoen hier, so schoen dass wir den Tag hier verbringen wollen. Wir spatzieren durch den Hof, betrachten die Nebengebaeude und steigen zu den Aussenplattformen des Tempels empor.

Ploetzlich kommt der Fremdenfuehrer wieder auf uns zu. Weiss nicht wie er uns aufgespuert hat. Er laedt uns zu einer Massenspeisung ein, wie sie die Sikhs, die sich auch als Sozialgemeinschaft verstehen, regelmaessig abhalten. Etwa 1000 Gaeste werden erwartet. Diese Speisungen sind vorwiegend fuer den aermeren Bevoelkerungsteil gedacht. Wir betrachten die Sache als grosses Erlebnis.

In der grossen Halle eines Nebengebaeudes werden schmale graue Laeufer ausgerollt, so dass sie von Hallenwand zu Hallenwand reichen. Dazwischen bleibt jeweils ein schmaler Freiraum. Die Sikhs setzen sich nun, mit verschraenkten Beinen dicht nebeneinander, auf die ausgerollten Unterlagen. Wir werden dazwischen eingeordnet. Fuer uns ist das am Boden sitzen recht anstrengend, weil wir nicht wissen wie wir die Beine verstauen sollen.

Es werden Teller ausgegeben. Das sind gruene aus Blaettern gefertigte Scheiben. Die einzelnen Blattstuecke sind mit Blattstengeln vernaeht. Jeder bekommt so einen Teller vor die Beine gelegt. Nun ist zwischen den einzelnen Reihen jeweils nur noch eins schmaler Pfad fuer die Essenverteiler frei.

Die Essenkuebel werden ueber diese Pfade laengs der Tellerreihen vorbeigetragen, und jeder bekommt aus jedem Kuebel eine Kelle auf seinen Blatteller gekippt. Alles geht sehr schnell. Es gibt suessen Milchreis, Dal (scharfe Chillilinsen), Kartoffelgemuese (aus Kartoffelscheiben mit Schale), ein spinstaehnliches Gemuese und Chapati (duenne Brotfladen). Gegessen wird mit der rechten Hand. Es schmeckt sehr gut, obwohl Milchreis und Chillilinsen eine fuer Europaeer nicht ganz verstaendliche Kombination ist. Anschliessend der Nachschlag nach Wunsch, und der Waschkuebel fuer die rechte Hand.

Auch das Abraeumen geht in Windeseile. Die Blatteller verschwinden als umweltfreundlicher Muell und koennen samt Speiseresten verfuettert werden. Die Laeufer werden zusammengerollt. Die Halle ist im Ursprungszustand. Einfach und unkompliziert sind diese Menschen.

 

Sikh  Hochzeit

04.12.1991. Am Bahnhof von Gaya empfaengt uns eine Schaar von Schleppern. Wir gehen daran vorbei. Wir kennen unser Ziel. Es ist nicht weit. Die erste Strasse nach rechts hat an ihrer linken Seite zahlreiche kleine Hotels. Wir koennen aussuchen.

Wir bekommen ein schlichtes, aber hell und sauberes, Einzelzimmer gezeigt. Ein Zweibettzimmer wird erst am Abend frei sagt uns der Wirt. Okay. Wir willigen ein, und koennen unser Gepaeck vorerst im Einzelzimmer abstellen.

Wir haben noch nichts gegessen, und wollen dies mit einem kleinen Spaziergang durch die angrenzenden Strassen verbinden. Aus einem unauffaelligen Tor hoeren wir Musik. Inge sagt: „Das klingt wie die Tempelmusik der Sikh's". Wir schauen hinein. Ein junger Mann fordert uns auf in den Hof zu kommen. Er sagt, sein Freund wuerde heiraten und wir sollten doch mit ihnen feiern. Wir vergessen unseren Hunger und gehen mit.

Die linke Hoffront bildet ein kleiner Sikh-Tempel, wesentlich bescheidener als das was wir bisher gesehen haben. Gegenueber sind die bei den Sikh's ueblichen Schlafraeume fuer Pilger. Die Zeremonie hat bereits begonnen. Leise, um nicht zu stoeren, betreten wir den Tempel. Wir setzen uns hinter die Hochzeitsgesellschaft auf den Fussboden, so dass wir die Wand als Lehne benutzen koennen. Auf diese Art koennen wir die uns ungewohnte Sitzhaltung besser ertragen.

Es folgen zahlreiche rituelle Handlungen die wir nicht verstehen. Auch was gesprochen wird verstehen wir nicht. Vielleicht ist es Hindi, vielleicht auch Bihari, Punjabi oder Bengal?

Zuletzt bekommt der Braeutigam einen reich verzierten Degen in die Hand gedrueckt und eine Schaerpe mit langen losen Enden umgehaengt. Die Braut ergreift die Enden, und er schreitet mehrmals mit vorgehaltenem Degen im Uhrzeigersinn um eine Art Altar, auf dem ein Bild des 10ten Guru's der Sikh aufgestellet ist. Die Braut folgt mit den Schaerpenenden in der Hand, sozusagen im Schlepp.

Spaeter setzen sich die Brautleute wieder auf den Fussboden, und alle Hochzeitsgaeste legen ihnen Blumenkraenze um den Hals, die Maenner dem Braeutigam, die Frauen der Braut. Auch wir bekommen Blumenkraenze in die Hand gedrueckt. Es folgt das Ende der Zeremonie.

Das Brautpaar verschwindet irgendwo, und die eigentliche Feier beginnt. Maenner und Frauen feiern getrennt. Inge darf als einzige Frau mit zu den Maennern.

Auf der gegenueberliegenden Seite ist ein grosses Zelt aufgebaut. Die Festhalle der Manner. Hier gibt es auch Stuehle und Tische, sowie Porzellantassen, Loeffel und wieder Blatteller. Fuer warmes Essen ist eine Theke mit Bedienung aufgebaut. Salate, Obst und Suessigkeiten findet man am Selbstbedienungsbufett. Das Essen ist vorzueglich, auch diverse Fleischsorten und Huehnerkeulen etc sind dabei. Es ist eine tolle und ausgelassene Stimmung, auch ohne Alkohol.

Im Hotel angekommen koennen wir unser Zweibettzimmer beziehen. Es ist eine Enttaeuschung. Ein dunkler nicht besonders sauberer Raum. Als wir versuchen die Betten unter die Moskitonetzaufhaengung zu ruecken, muessen wir feststellen, dass Dreckloch wohl die bessere Bezeichnung fuer unser Zimmer waere. Zu spaet. Wahrscheinlich lernt man nie aus. (Dusche und Toilette sind in ertraeglichem Zustand.)

Wir fuegen uns in unser Schicksal. Es sind ja nur 2 Naechte. Wir werden es ueberstehen. Wer es auf solchen Reisen so haben will wie daheim, der kann sich das Fahrgeld sparen. Der Wirt und sein Sohn sind sehr nett, sie erkennen halt die kleinen Unterschiede nicht. Wir nehmen es mit Humor.

Der Strom faellt aus. In allen Haeusern laufen uralte riesengrosse Notstromaggregate an, und blasen dicke Rauchschwaden in Richtung Strasse. Vor jeder Verkaufsbude steht jetzt ein qualmender Metallkorb mit gluehenden Kohlen, an dem sich Menschen waermen. Rangierende LKW's mit schwarzer Russfahne ergaenzen das Bild. Was tut da eigentlich das bisschen Dreck, dass da so ruhig unter unseren Betten liegt?

Am Morgen schnaeuzen wir nur noch schwarz. Der Sohn unseres Wirtes steht bereits in einer riesigen Staubwolke. Er fegt den Gang mit einem Rutenbesen. Er moechte gleich bei uns im Zimmer weitermachen. Ich wehre dankend ab. Ruhend ist der Dreck ertraeglicher als aufgewirbelt.

 

Das  Schlitzohr  von  Bodh  Gaya

Nach schoenen Tagen im Huegelland von Rajgir, mit viel klarer Luft und einem sauberen Hotel mit ganz besonders netten Hotelmanager, geht es weiter nach Bodh Gaya. Wir machen Quartier im Tourist Bungalow der Regierung.

Ich will die uebliche Vorauszahlung fuer die erste Nacht vornehmen. Der Manager hat keine Zeit, obwohl wir die einzigen Gaeste sind. Ich verlange die Speisekarte. Es gibt keine. Essen bekommen wir nach Wunsch, dazu 3 Mann Bedienung. Der Preis wird jeweils abgesprochen.

Im Hotel ist alles sehr angenehm und sauber, aber unverbindlich. (Schoene frische weisse Bettwaesche, intakte Moskitonetze, grosser sauberer Duschraum und sehr freundliches Personal.)

Wir besichtigen den grossen alten Tempel beim Bodhibaum. Hier soll Buddha seine Erleuchtung erfahren haben. Wir gehen auch zu den vielen neuen Tempeln, die anlaesslich Buddhas 2500ten Geburtstages von zahlreichen buddhistischen Nationen hier errichtet wurden. Kreative Vielfalt. Es gibt noch zahlreiche andere interessante Dinge. Wir sind voll beschaeftigt.

Irgendwann verlange ich vom Hotelmanager eine Zwischenabrechnung. (Will sehen ob es unausgesprochene Nebenkosten gibt. Das lehrt die Erfahrung.) Der Manager, der eigentlich immer nur herumsitzt, ist staendig ueberlastet.

Auf hartes Draengen kann ich einen Abschlag zahlen. Die Quittung  ist in Hindi geschrieben. Ich kann nichts lesen. Beilaeufig bekomme ich gesagt, dass die Doppelzimmerpreise der Rezeptionstafel pro Bett gelten. Da liegt also der Hase im Pfeffer. Die gleiche Masche, die Taxifahrer gelegentlich versuchen. Nun ist alles klar. Wir koennen die restliche Zeit geniessen. Ich muss mir nur etwas einfallen lassen, um nicht ueber den Tisch gezogen zu werden.

17.12.1991 am Morgen. Wir stehen abreisefertig an der Rezeption. Der Manager kommt. Waehrend er den Quittungsblock herauskramt erzaehle ich ihm, dass ich die Preistafel an der Rezeption fotografiert haette und nun eine Rechnung in englischer Sprache benoetige, weil ich beides zwecks Preisueberpruefung ueber die Deutsche-Botschaft an die Indische-Regierung senden wolle.

Die Endsumme faellt auffallend niedrig aus. (Keine Einzelbettpreise, keine Nebenkosten, alles sehr korrekt.) Der Manager fragt uns ob wir mit allem zufrieden waren, ob das Essen gut war, ob wir noch Wuensche haben. Wir werden aeusserst freundlich verabschiedet. (Diesmal ist es ihm nicht geglueckt. Kein boeses Wort. Es kommen doch wieder Touristen. Vielleicht gelingt es dann.) Wir bedanken uns sehr freundlich. Draussen wartet schon der Rikscha der uns zum Busstand bringen soll.

 

Fahrpreise in Agra

Wir erleben sehr schoene Tage in Benares. In Gwalior, wo wir spaet am Abend ankommen, werden wir bei der Hotelsuche hereingelegt. Die Weihnachtstage verbringen wir mit Besichtigung der Liebestempel in Khajuraho. Wir treffen einige andere Rucksacktouristen, auch alte Bekannte aus Europa. Ein paar Amerikaner haben sich ihren eigenen Weihnachtsmann mitgebracht. Es ist alles sehr nett und eine gute Stimmung.

Ein in Schweden lebender Tscheche empfiehlt uns fuer Agra das Hotel  Safari. (Es ist immer gut wenn man weiss wohin man will.) Er sagt: „Die Taxifahrer werden Euch allerdings nicht hinfahren wollen, dieses Hotel zahlt ihnen keine Provision".

Am Bahnhof in Agra stehen zahlreiche Skooter. Einige von ihnen werben damit, uns fuer 10.-IRs zu jedem beliebigen Hotel in der Stadt zu fahren. Wir steigen ein. Waehrend wir bereits rollen fragt der Fahrer nach unserem Hotelwunsch. Ich reiche ihm die Visitenkarte vom Safari, die ich vom Tschechen  in Khajuraho bekommen hatte. Der Fahrer meint, das waere wahrscheinlich voll. Ich luege, wir haetten reserviert.

Das Hotel ist wirklich voll, aber ein Raum wird gerade frei. Das hat geklappt. (Diesmal war es nichts mit der Provision.)

Wir gehen einstweilen ins Hotelrestaurant und verdruecken eine Riesenschuessel Vanillepudding mit Bananenstueckchen. (Wir wiederholen das waehrend unseres Aufenthaltes noch mehrmals, weil es so gut schmeckt.)

Nun koennen wir unser Zimmer beziehen. Es passt hervorragend zu Agra und zum Taj Mahal. Das Bad ist komplett aus weissem Marmor und hat, was sonst nicht ueblich ist, sogar eine Badewanne. Ich komme mir vor wie ein Maharadscha.

Am Morgen beschafft uns das Hotelpersonal einen Skooter zum Taj Mahal. Festpreis 5.-IRs.

Wir finden uns kaum noch zurecht am Taj Mahal, so hat sich die Umgebung seit 1969 veraendert. Damals haben wir direkt vor dem Eingang geparkt. Jetzt ist alles mit Souvenierlaeden etc. verbaut.

Nach dem Torbogen dann wieder alles so wie wir es in Erinnerung haben. Nur die Touristen sind mehr geworden. Es sind viel indische Touristen darunter. Die Frauen in ihren farbigen Sari's bilden einen schoenen Vordergrund. Pauschaltouristen in Gruppen fallen uns nicht auf.

Obwohl wir schon hier waren, bleiben wir den ganzen Vormittag. Die Rueckfahrt zum Hotel gestaltet sich schwierig. Mit den Skooterfahrern kommen wir ueberhaupt nicht klar. Sie wollen uns zu irgendwelchen Objekten ihrer Provision fahren, ins Hotel vielleicht spaeter. Schliesslich finden wir einen Rikschafahrer, der zunaechst einwilligt uns fuer 5.-IRs zum Hotel zu bringen. Er startet aber zunaechst mal in die falsche Richtung, was ich gleich korrigiere. Vielleicht denkt er wir kennen uns nicht aus. Danach wird sein Fahrtempo langsamer. Der Fahrer erzaehlt uns, er moechte uns zu einem preisguenstigen Souveniershop bringen. Wir lehnen ab, und bestehen auf direkter Fahrt zum Hotel. Inzwischen fahren wir langsamer als die Fussgaenger. Ein zweiter Rikscha faehrt heran. Inge soll umsteigen. Angeblich sind wir zu schwer. Der Gesamtpreis soll bei 5.-IRs bleiben. Wieder Verhandlung ueber Souvenirshops, dann ueber Stadtrundfahrt, dann ueber Preiserhoehung, immer im Schrittempo. Zuletzt steigen wir aus und gehen zu Fuss. Es dauert nur kurze Zeit und einer der Rikschafahrer kommt und nachgefahren. Er moechte uns nun fuer 5.-IRs zum Hotel bringen. Jetzt wollen wir nicht mehr und lehnen dankend ab.

Vom Hotel zum Busstand (der naeher ist als der Bahnhof) bekommen wir auch Probleme. Unter 35.-IRs ist kein Skooterfahrer bereit und zu transportieren. Der Busstand zahlt keine Provision. Indische Geschaeftspraktiken!

 

Sylvester in Jaipur

31.12.1991. Gegen Mittag erreichen wir Jaipur. Wir haben eine Hotelempfehlung. Doch das Hotel ist voll. Der Manager glaubt nicht, dass wir in der Innenstadt noch etwas finden. An Sylvester sei immer alles voll.

Er empfiehlt uns ein Hotel am Stadtrand, nicht weit von hier, und bietet uns die Vermittlung an. Ich frage nach dem Preis. „200.-IRs" sagt er. Dann telefoniert er. Es ist noch ein Zimmer frei. Wir werden abgeholt.

Nicht weit auf indisch. Wir fahren lange. Statt Doppelzimmer bekommen wir eine ganze Suite, modern moebliert. Ich sage zu Inge: „Das hier um 200.-IRs kann ich mir nicht vorstellen".

Inzwischen haben wir ordentlich Hunger. Ich studiere die auf dem Bett liegende Speisekarte. Auf der letzten Seite sind auch die Uebernachtungspreise aufgefuehrt, schoen nach Zimmernummern sortiert. Ich schaue auf unsere Zimmertuer, und finde dazu auf der Karte, Deluxe-Suite 600.-IRs + Tax. Deluxe heisst in Indien vieles, aber hier stimmt es sogar. In Europa waere so ein Preis niedrig, fuer indische Verhaeltnisse (an die wir uns inzwischen gewoehnt haben) ist er ganz ansehnlich. Aber es wird auch etwas dafuer geboten.

Wir bestellen eine scharfe Suppe, danach Kaese-Champignon-Omletts und Salat, als Nachtisch Kaffee und Suessigkeiten, die allerdings nicht auf der Karte stehen. Fuer den Abend bestellen wir Tandoori-Chicken mit diversen Beilagen. Danach geht es erst einmal unter die Dusche.

Das Essen nehmen wir im Garten ein. Es ist sehr gut und reichlich. Auf den Nachtisch muessen wir etwas warten. Der Wirt ist extra mit dem Motorrad in die Stadt gefahren um etwas zu holen. So wichtig waere das doch nicht gewesen.

Auch das Abendessen ist hervorragend. Es ist wesentlich mehr als wir bestellt haben. Die dicke Koechin, die nach ihrem Umfang zu urteilen ihr bester Kunde ist, sagt uns, das waeren alles indische Spezialitaeten und wir sollten einfach mal probieren. Was uns schmeckt sollen wir essen, den Rest sollen wir stehen lassen.

Vom Wirt werden wir zur Sylvesterfeier eingeladen. Vorher wollen wir noch paar Stunden schlafen. Auf dem Bett liegend sage ich zu Inge: „Das hier ist alles sehr nett, aber ich denke es wird auch teuer. Die lange Anfahrt im PKW, deren Preis wir nicht kennen, die Extrabeschaffung der Suessigkeiten, die nicht bestellten Spezialitaeten usw. Es sind viele Unbekannte in der Rechnung. Ich will nicht fragen, es ist doch nur einmal im Jahr Sylvester, und es ist gerade so schoen".

Der Wirt und seine Frau, beide Moslems, trinken Rum pur aus Bierglaesern. Uns bietet er das Zeug auch an. Mir wird schon beim Riechen schwummerig. Hochprozentig! Wir trinken Bier mit Limo, d.h. mehr Limo als Bier. Nachdem der erste Liter Rum verbraucht ist, holt unser Wirt die 2te Flasche. Den Mammutanteil trinkt er selbst. Wie man bei der Hitze solche Mengen von dem Fusel trinken kann, ist mir unerklaerlich.

Unsere Wirtsleute sind inzwischen recht froehlich, die Koechin auch. Ein in Glimmer verpackter Transvestit bietet eine Tanzeinlage. Spaeter tanzt die recht lustige, inzwischen ganz aufgedrehte, Koechin mit der Inge. Ein schoener Sylvester.

Bevor wir schlafen gehen bestellen wir das Fruehstueck. Dem Wirt sagen wir, dass wir am Morgen in die Stadt zum Bahnhof moechten. (Wir wollen dort unser Gepaeck einstellen und weiter zum Amber Palast.)

Bevor wir abfahren macht der Wirt die Rechnung inkl. Rueckfahrt zum Bahnhof. Gesamtpreis 520.-IRs. Es ist kaum zu glauben. Ich gebe ihm 600.-IRs. Trotz Rum steuert er seinen PKW selbst. Herzlicher Abschied.

(Wir waren am 04.01.1992 noch mal fuer kurz in Jaipur. Da sind wir am Morgen angekommen und haben in einem kleinen Restaurant gefruehstueckt. Nur Kaffee und etwas Toast mit Honig. Es gab keine Speisekarte. Wegen unserer guten Erfahrungen vom vorigen Besuch haben wir nicht nach dem Preis gefragt. 200.-IRs stand auf der Rechnung. Wer soll das verstehen? Indische Wechselbaeder.)

 

Das alte Haus von Udaipur

Am Morgen des 02.01.1992 erreichten wir das Badi Haveli in Udaipur. „Willlst Du da hineingehen?" fragt Inge leicht entsetzt. Wir sind inzwischen einiges gewoehnt, aber so einen Hoteleingang haben wir noch nicht gesehen. Trotzdem, ich will es probieren. Habe schon vieles von diesem 400 Jahre alten Haus neben dem Jagdishtempel gehoert.

Zunaechst muss ich durch einen Torbogen ueber Kot von Tieren und Menschen, um nach Ueberquerung eines ebenso unsauberen Hofes, eine an einer Mauer emporziehende Treppe aus herausstehenden Steinen ohne Gelaender zu erreichen. An den Waenden aufgemalte Pfeile zeigen den Weg. Ohne diese Markierungen wuerde man sich nicht zurechtfinden. Es folgt eine Terrasse und eine sehr steile schmale Innentreppe. Jetzt ist es nicht mehr ganz so dreckig. Durch eine schmale Oeffnung gelange ich in einen, um einen sehr grossen Lichtschacht herumgebauten, Innenhof. Im hinteren Teil sehe ich Gartenmoebel, die zu kleinen Sitzgruppen zusammengefuegt, zwischen bluehenden Straeuchern aufgestellt sind. Hier ist ploetzlich alles total sauber und auch sehr gemuetlich. Das ist der eigentliche Beginn des Hotels, sozusagen der Vorhof.

Zunaechst treffe ich eine deutsche Kunststudentin. Sie schwaermt mir gleich vor wie schoen es hier ist, und welch gute Atmosphaere in diesem Hotel herrscht. Sie ist, zusammen mit ihrem Freund, einem Italiener, schon 2 Wochen hier. „Wir haben so viele schoene Motive gefunden und wollen bleiben bis wir alles gemalt haben" sagt sie mir. Ob Zimmer frei sind weiss sie nicht. Sie sagt: „Der Manager macht fast immer etwas passend". Den Manager finde ich nicht. Hole deshalb die Inge herauf, die noch immer im Skooter wartet. Alle Zimmer sind voll. Wir bekommen den Raum des Managers. Der zieht voruebergehend aus. Vor dem Raum ist eine Terrasse mit herrlichem Blick auf den See. Hier nehmen wir das Fruehstueck ein.

Bevor wir uns der Besichtigung von Tempel und Palast zuwenden inspiziere ich das Hotel. Das ist wirklich eine tolle Sache. Da ist ein gesamter Altstadtteil von ineinandergeschachtelten Haeusern zu einem festen Komplex zusammengebaut. Obenauf stehen dann wieder ander Haeuser, und ganz oben steht unser Hotel. Es soll 19 Doppelzimmer geben. Ich habe sie nicht gezaehlt. Mehrere Zimmer sind jeweils um einen Toilettenraum (WC + Dusche) angeordnet. Die Toiletten haben mehrere Tueren und sind dadurch mit allen umliegenden Raeumen verbunden. Die nachtraegliche Umruestung des alten Hauses zu einem Hotel war sicher schwierig. Es wird mir wohl immer schleierhaft bleiben, wie man die Abflussrohre, die zwangslaeufig durch div. andere Haeuser fuehren, nachtraeglich verlegen konnte und wo sie enden. Aber alles ist sauber und geruchfrei.

Mir ist nun auch klar, warum dieses saubere Hotel einen so dreckigen Eingang hat. Die anderen Haeuser und der Eingang gehoeren nicht dazu. Man kann schliesslich nicht die ganze Umgebung reinigen. Das Hotel beginnt im Vorhof. Ausserhalb ist niemand zustaendig. Und – was gut ist braucht keine Werbung!

Das eigentliche Hotel ist auch in mehreren verschachtelten Etagen und Halbetagen gebaut. Dadurch ergeben sich die vielen kleinen Terrassen und Nischen, die fuer zusaetzlich Gemuetlichkeit sorgen. Alles ist originell.

Die Sitzmoebelgruppen und die freundliche offene Einstellung der Besitzerin tragen wohl auch zur guten Atmosphaere bei. Die Langzeitanwesenden bewegen sich in den Raeumen der Besitzerin, vor allem aber in deren Kueche, als waeren sie dort daheim. Die Besitzerin scheint ihren Spass daran zu haben.

Der meist abwesende Manager betreibt nebenher, oder besser hauptberuflich, eine Travelagertur mit Souveniergeschaeft. Fuer heisse und kalt Getraenke, sowie Toast, Omletts und aehnliche Kleinigkeiten ist der Boy zustaendig. Wer mehr haben will muss ins Restaurant gehen.

Der Tempel, der Palast, die Parkanlagen und was sonst noch zu besichtigen ist, nehmen sich neben unserem Hotel fast wie Nebensachen aus.

 

Bedrolls

03.01.1992 am Abend in Udaipur. Wir wollen mit dem Nachtzug nach Jaipur. Ich will unsere Bettwaesche fuer den Schlafwagen bestellen. Der Bahnangestellte gibt mir die Auskunft, die Bettwaesche sei ausgegangen, er haette nichts mehr. Ich fuege mich in mein Schicksal, hat doch bisher waehrend der Bahnreise alles recht gut geklappt. Inge ist weniger begeistert, weil es nachts gelegentlich ziemlich kuehl wird.

Es ist Abfahrtszeit. Wir sitzen im Abteil. Da sieht Inge, dass einigen Leuten im Nachbarabteil Bettwaesche gebracht wird. Sie sagt: „Siehst Du, haettest vielleicht etwas energischer sein muessen". Ich renne zum Bahnhofsgebaeude zurueck und verlange das Beschwerdebuch. Man schickt mich zum Chef. Der fragt nach dem Grund meiner Beschwerde. Er meint, dass die Bettwaesche im ersten Stock liege und die Angestellten nur zu faul waeren sie herunter zu holen. Er will es gleich selbst erledigen. Ich zeige auf den bereits anfahrenden Zug. „Bedrolls will come", ruft er mir nach. (Die Zuege rollen in Indien allgemein sehr langsam aus den Bahnhoefen, und auch danach dauert es noch einige Zeit bis sie recht in Fahrt kommen.) Ich springe auf den aus dem Bahnhof rollenden Zug. Durch's Fenster sehe ich wie ein Mann, mit Bettwaesche unter den Armen, dem noch immer im Schrittempo rollenden Zug nachrennt. Ich reise die Tuer auf und winke. Der Mann schafft es. Ich zahle die Gebuehr und ein Trinkgeld. Der Mann bedankt sich und springt ab.

(Aehnliches ist uns spaeter nochmal auf der Fahrt von Junagardh nach Amadebad passiert. Da hatte man unsere Bedrolls vergessen. Ich verlangte wieder das Beschwerdebuch. Einige Zeit spaeter erhielten wir Bedrolls statt Beschwerdebuch. Am Morgen kamen wir mit einem jungen Inder ins Gespraech. Ich bemerkte u.a., dass die Bedrolls ploetzlich im Zug sind wenn man nach dem Beschwerdebuch fragt, waere doch etwas verwunderlich. Er erklaerte mir, der Schaffner haette sie einfach den Indern im Nachbarabteil wegenommen. – Indische Problemloesung. – Wer  viele Eintragungen im Beschwerdebuch hat, muss damit rechnen, dass er in ein gottvergessenes Nest versetzt wird.

 

Der Ruheraum von Abu Road

05.01.1992. Am Morgen erreichen wir die Bahnstation von Abu Road. Wir wollen hinauf zum Mont Abu. Am Morgen des 07.01.1992 wollen wir von Abu Road weiterfahren nach Ahmadebad. Da der Fruehzug sehr zeitig abfaehrt, wollen wir die letzte Nacht im Ruheraum des Bahnhof's von Abu Road verbringen.

Was liegt naeher, als den Ruheraum sofort zu reservieren. Da Abu Road eine sehr kleine Station ist, gehe ich direkt zum Chef. Ich erklaere ihm, dass wir den Raum nicht fuer die naechste, sondern fuer die uebernaechste Nacht reserviert haben moechten. Das ist kompliziert und ueberfordert den Mann. Ich kann es ihm direkt ansehen. In seiner offensichtlichen Verlegenheit sagt er mir, beide Ruheraeume seien besetzt.

Ich erzaehle ihm nochmal, dass wir nicht in der naechsten, sondern erst in der uebernaechsten Nacht hier schlafen wollen. Er habe verstanden erwiedert er, aber die Gaeste bleiben 2 Naechte. Darauf erklaere ich, dass dies nicht zulaessig sei, weil die Ruheraumbenutzung nur fuer jeweils eine Nacht gestattet ist. Ich sage auch, der oberste Eisenbahnmanager in New Delhi haette mir gesagt, dass wir immer einen Ruheraum bekaemen, und dass uns das Bahnpersonal behilflich sei. Nun muesste ich ihm leider schreiben, dass das nicht stimmt.

Der Mann denkt scharf nach. Dann sagt er mir, wenn wir den Ruheraum fuer zwei Naechte nehmen, und auch gleich bezahlen wuerden, koennten wir ihn haben und den Schluessel auch gleich mitnehmen. Preis fuer 2 Naechte = 22.-IRs = ca. 1,10DM.

Das Problem der Reservierung hat er damit vom Hals, und auch die Moeglichkeit einer Beschwerde. Dass wir nun wissen, dass er uns urspruenglich belog, interessiert wahrscheinlich genauso wenig wie die Nichteinhaltung der Vorschrift. Uns interessiert es auch nicht. Wir haben jetzt gleich die Moeglichkeit ueberfluessiges Gepaeck hier zu lassen. Ein Duschbad ist auch recht angenehm. Das andere Doppelzimmer ist frei, und bleibt dies auch.

 

Ein schmerzhaftes Provisorium

08.01.1992 sehr frueh am Morgen. Irgendwo vor Bhavnagar bleibt unser Zug auf der Strecke stehen. Draussen ist es noch dunkel. Ein paar junge Inder gehen an unserem Abteil vorbei. „You will go to Palitana?" fragt einer. Als ich bejahe, fordert er uns auf mit ihnen zu gehen. Der Zug haette eine Panne.

Wir packen unseren Rucksack und schliessen uns ihnen an. Nach kurzem Fussmarsch erreichen wir eine Busstation. Im Bus koennen wir aber nur ein Stueck mitfahren. Er hat ein anderes Ziel. Inzwischen wird es langsam hell. Die Inder nehmen ein Taxi, und laden uns zur Mitfahrt ein.

Die ueblichen Fragen nach woher und wohin haben wir schon hinter uns. Nun folgen Fragen nach begehrten Gebrauchsguetern, die man uns gern abkaufen moechte. Einer der Herren interessiert sich besonders fuer Koerperspray. Er will heiraten, und glaubt da brauche man so etwas. Ich mache ihm klar, dass wir nicht fuer 1 Jahr Koerperspray mit uns herumtragen. Er fragt ob wir ihm nicht 2 Dosen Koerperspray schicken koennten. Ich verspreche es ihm. (Inzwischen habe ich den Spray per Einschreiben abgeschickt. Das Porto war hoeher als der Preis der Spraydosen.)

Der Inder handelt noch den Preis fuer den Rikscha aus, der uns zum Beginn des Aufstiegs am Tempelberg bringen soll. Dann verabschieden wir uns. Nette Leute. Ein schoener Tagesanfang.

2800 Stufen muessen wir emporsteigen zur Jain-Tempelanlage. Es ist eine kleine Tempelstadt. Herrlich ist der Ausblick vom Berg, sehr schoen die Tempeldetails aus weissem Marmor. Noch schoener ist, dass dieser Tempel lebt. Viele Glaeubige mit Opferschalen voller bunter Blumen, viele bunte Saris, alles in freudiger Stimmung. Ein Teil der Glaeubugen sitzt im Hof, andere umrunden den Haupttempel.

Wir sitzen lange in einem schattigen Eck und betrachten die Angelegenheit. Spaeter steigen wir ins Obergeschoss des Haupttempels und betrachten alles von einer aussen liegenden Terrasse herab.

Ploetzlich ziehen einige Priester einen bunt geschmueckten Wagen durch einen unterhalb liegenden Gang. Ich will ein Foto von oben machen. Ein an eine Marmorsaeule gebundener, trompetenartiger grosser Lautsprecher, ist mir dabei im Wege. Ich muss mich buecken, und treffe dabei mit der Schulter an dieses Geraet. Es loest sich ein Stein (etwa halbe Ziegelgroesse), den man scheinbar als Ausrichtungshilfe, zwischen Saeule und Lautsprecher gebunden hat. Der Stein faellt auf meinen nackten Vorderfuss im Bereich der grossen Zehe. Mein Fuss schmerzt so sehr, dass ich denke er waere gebrochen. Spaeter schwillt er und laeuft blau an. Ein Glueck, dass ich am Tempeleingang nur in die Badelatschen steigen muss. In Schuhe kaeme ich nicht mehr hinein. (Auch in den naechsten Tagen nicht.) Das Tagesende ist nicht so schoen wie der Tagesanfang.

(Nach dem Tempelberg von Palitana haben wir auch noch den Tempelberg von Junagardh besucht. Hier sind es noch einige Stufen mehr. Von der Moschee am Fuss des Berges bis zum Jaintempel sind es 3800 Stufen. Von da zum Hindutempel auf dem Gipfel sind es nochmal 1200 Stufen. Drei Religionen Problemlos am gleichen Berg. Auch das ist moeglich. Waehrend des Aufstieges sieht man zahlreiche Adlerhorste in den Felswaenden. Vom Gipfel hat man einen sehr schoenen Ausblick.)

 

Ankunft in Bombay

13.01.1992 Bombay Viktoria Terminal. ( Ein sehr schoenes Bauwerk aus britischer Zeit.)

Im Bahnhofsbereich sind alle Hotels belegt. Mit einem Ruheraum ist hier auch nichts zu machen. Zimmerverteilung 19 Uhr, keine Reservierung. Uns ist das zu spaet. Wenn wir keinen Platz bekommen stehen die Chancen fuer ein Hotelzimmer schlecht. Ich empfinde die Leute in Bombay als hektisch und unfreundlich. (Bombay ist die einzige Stadt in Indien die wir als unfreundlich empfunden haben.)

Irgendwer sagt mir, im Hotel Sealord waere meist noch etwas frei. Das waere ca. 1km von hier. Die Mittagshitze ist gross, unser Packsack ist schwer.

Ich winke ein Taxi, es faehrt vorbei. Auch zwei weitere Taxi's fahren vorbei. Ein junger Bursche kommt auf mich zu und fragt: „Taxi?" Ich bejahe, und er sagt mir ich solle folgen. Gleich um die Ecke steht das Taxi. Wir legen den Packsack in den Kofferraum und wollen einsteigen. Da laeuft der junge Mann weg, er ist nicht der Fahrer, es ist ein Schlepper. Wir muessen warten, unser Packsack ist eingesperrt. Nach einiger Zeit kommt der Schlepper mit dem Fahrer zurueck. Wir handeln den Preis aus. 40.-IRs verlangt der Fahrer. Ich sage dass 40.-IRs fuer 1km zuviel sind. Er antwortet: „It is a long Way". Ich gebe nach. Habe Bedenken, dass wir sonst kein Zimmer mehr bekommen.

Der Schlepper steigt mit ein. Kurz bevor wir starten steigen zwei weitere Burschen zu. Die Strecke ist kurz, sehr kurz. (Wenn  wir spaeter vom Hotel zum Bahnhof gefahren sind, haben wir 7.-IRs gezahlt. Das ist der Mindestpreis am Taxometer, und der war auf der kurzen Strecke noch nicht einmal verbraucht. Taxometerbenutzung konnten wir in Bombay allerdings nur sehr selten durchsetzen.)

Wir bekommen ein Zimmer. Der Preis ist hoch, das Zimmer unsauber. Wir sind froh ueberhaupt etwas zu haben. Wir werden es ueberstehen.

Ich will das Taxi zahlen, reiche einen 50.-IRs Schein hinein. Einer der Mitfahrer nimmt den Schein in Empfang und reicht ihn zurueck, mit der Bemerkung der Schein sei beschaedigt. Seine Kollegen stellen mir waehrenddessen allerlei bedeutungslose Fragen. (Ablenkungsmanoever) Ich reiche einen anderen 50.-IRs Schein hinein. „Give me thirty Rupee", sagt der Bursche. „Why?" antworte ich. Er haelt mir einen 10.-IRs Schein entgegen. Ich bin ueberzeugt, dass ich einen 50.-IRs Schein gegeben habe, aber was soll ich machen. Ich will meine Ruhe haben und zahle. Ein neuer Trick. Wir haben gelernt.

 

In der indischen Staatsbank in Bombay

Ich wollte nicht sehr viel Geld mit mir herumtragen, und hatte vor der Abreise unsere Bank in Muenchen angewiesen, uns zu vorgegebenen Terminen bestimmte Summen in US-Dollar auf vorher festgelegte Banken zu ueberweisen. In Bombay wollten wir die naechste Geldsendung in Empfang nehmen. Von aussen sind indische Banken von Polizei und Militaer abgeschirmt. Erst wenn man sich ausgewiesen hat darf man hinein.

Die Bank in Bombay hat, oder hatte damals, keine Schalter. Das war einfach eine grosse Halle, deren Decke komplett mit riesigen Ventilatoren vollgepflastert war. Innerhalb der Halle sassen die Sachbearbeiter an einzelnen Schreibtischen, und dazwischen ueberall Gaenge.

Wenn man den zustaendigen Sachbearbeiter ermittelt hatte, zeigte man seine Papiere und erklaerte seine Wuensche. Dann beginnt der Sachbearbeiter zu suchen. Er hat keine Aktenordner, er hat Schuhkartons die mit Datum von / bis und dem Sachthema versehen sind. Er zieht, wenn er den richtigen Karton gefunden hat, den Inhalt heraus und zwickt die linke obere Ecke mit einer grossen Klammer zusammen. Dann blaettert er. Das geht sehr schnell. Wir waren mehrmals dort, aber das Geld war nicht da, oder wurde nicht gefunden. Unsere Bank hatte mir gefaxt, das Geld sei schon vor mehr als einer Woche abgeschickt worden. Ich hatte den Verdacht, der Sachbearbeiter haette unsere Ueberweisung nur ueberblaettert. Ich forderte ihn auf die Klammer zu loesen und die Blaetter einzeln zu betrachten. Nachdem er nicht wollte, bin ich zum Chef. Dann musste er. Ihm gerieten dabei die Papiere aus der Hand und gerieten in den Luftstrom der Ventilatoren. Danach regnete es ueber die ganze Halle Bankpapiere. Sichtung nach dem Einsammeln. Es war nichts fuer uns dabei.

Wir waren noch dreimal dort. Immer wenn ich die Halle betrat verschwand der Sachbearbeiter zur Toilette oder sonst wohin. Schliesslich sind wir weitergereist.  Bin dann in Madras zur Pacificbank, einer kleinen Bank. Hatte gehoert, dass die im internationalen Geschaeft beweglicher seien. Sind sie auch. Da sitzt nur ein einzelner recht cleverer Manager und kein Beamter. Der macht alles selber. Wir haben mit seiner Hilfe einen zusaetzlichen Transfer von Muenchen zu Pacificbank eingeleitet. Ausserdem stellte der Mann ganz schnell fest, dass unser Geld in Bombay liegt, und zwar im falschen Schuhkarton. Unsere Bank hatte, statt wie vereinbart US-Dollar, IRs ueberwiesen.

Wir konnten weiter reisen nach Madurei etc. Er versprach uns, bis zur Rueckkehr nach Madras sei das Geld bei der Pacificbank. War es dann auch. Er hat dann auch noch den Tausch der IRs in US-Dollar gemanagt, was eigentlich verboten ist.

Wir hatten mehrmals unnuetze Umtausckosten. Der naechste, schon vor der Abreise festgelegte, Geldtransfer war inzwischen auch da. Nun hatte ich genau das, was ich vermeiden wollte, - viel zu viel Geld gleichzeitig bei mir. Wegen der hohen Ueberweisungssummen sollte ich dann auch noch Income Tax zahlen etc.

Unsere Bank in Muenchen habe ich inzwischen gewechselt. Die haben zwar eine Auslandsabteilung, aber deren geistiger Horizont reicht gerade mal bis Oberitalien.

 

Von Bombay nach Mysore

Vielleicht hatten wir uns inzwischen schon so sehr an Indien gewoehnt, dass uns kleine Eigentuemlichkeiten nicht mehr auffielen. Es gibt jedenfalls nichts sonderliches zu berichten. Selbstverstaendlich waren wir im schoenen ruhigen Matheran. Selbstverstaendlich waren wir in Ajanta und Ellora, haben den aus einem Stueck geschlagenen Kailashtempel bestaunt und vieles mehr. Aber das braucht man nicht beschreiben. Ueber diese Dinge wurde schon genug geschrieben. Das kann man anderswo nachlesen. Interessant sind doch die kleinen persoenlichen Erlebnisse. Auch die Pannen gehoeren dazu. Die gelegentlichen Panne haften sogar meist besonders gut. Ist der Aerger erst einmal verflogen, sieht man es mit Humor. Wenn ich mich gelegentlich aergere, dann aergere ich mich vorwiegend ueber mich selbst. Ein grosser Schaden entsteht ja nicht. Mich stoert nur, dass ich mich wieder einmal habe auf's Kreuz legen lassen.

Von Hyderabat sind mir, neben den Bauten, die kitschigen Kunststoffarmreifen in Erinnerung und die zahlreichen Konditoreien. In Hampi ist es die Radtour durch das grosse Ruinenfeld. In Bijapur, wo wir spaet am Abend ankamen, fanden wir fuer die erste Nacht nur ein schlechtes Hotel. In Badami haben wir diesbezueglich recht gut abgeschnitten. In Ajanta, wo es keine Uebernachtungmoeglichkeit gibt, lies man uns bewusst den Bus verpassen, um uns ein besonders teures Taxi anzudrehen. Ein Englaender, der uns in seinem Auto mitnahm, hat den Leuten das Geschaeft vermasselt.

Es ist zu wenig um diese Dinge einzeln zu beschreiben. Die angenehmen meist kurzen Kontakte mit den verschiedenen Menschen (Einheimischen und Touristen) waeren ergiebiger. Aber da wuerde ich mit dem Schreiben nicht fertig. Wo anfangen? Wo aufhoeren?

 

Der Palast von Mysore

31.01.1992 in Mysore. Schoenes Hotel, Kontakte mit zahlreichen netten Rucksacktouristen, viele Sehenswuerdigkeiten in der naeheren Umgebung.

Am Abend sitzt ein junger deutscher Arzt mit seiner Freundin an unserem Tisch. Die Beiden reisen, so wie wir, auch schon einige Monate durch Indien und Umgebung. Wir tauschen unsere Erlebnisse und Erfahrungen aus. Auch ueber die Momente, wo einer von uns ueber den Tisch gezogen wurde reden wir. Der Arzt bemerkt dazu: „Ein gesundes Misstrauen ist hier immer angebracht". Er hat Recht. Als ich mir eine ordentliche Portion Chilli ins Essen gebe, sagt er: „Mit soviel Chilli bekommt man keine Magen-Darm-Probleme, der toetet alles ab".

Der Stadtpalast des letzten Maharadschas von Mysore, der jetzt als Museum dient, wird jeden Sonntag zwischen 19:00 und 20:00 mit tausenden von Lampen illuminiert. Dieses Schauspiel leistet man sich, trotz der vielen Stromabschaltungen. Wir wollen das natuerlich auch sehen und fotografieren. Zwei guenstige Positionen haben wir uns bereits am Tag ausgesucht.

Auf einem Sockel, innerhalb des Kreisverkehrs, baue ich mein Stativ auf. Ich probiere eine Trickaufnahme mit meinem Dreifachprisma. Es sieht gut aus. Ich winke einen jungen Inder heran und lasse ihn durchschauen. Der schaut und ruft seine Freunde. Es dauert nicht lange, da hat sich hinter meiner Kamera eine Schlange gebildet. So etwas hat noch keiner gesehen. Alle wollen mal durchschauen. Das dauert einige Zeit. Fuer die zweite Fotoposition, die sich auf der anderen Palastseite befindet, muessen wir einen Skooter nehmen, damit das Licht nicht abgeschaltet wird bevor wir eintreffen.

In Sultan Tipu's Sommerpalast bei Srirangpatna – nahe Mysore – koennen wir ueber die eigentuemliche Ritterlichkeit der Englaender nachdenken. Erst haben sie ihn bekaempft und besiegt, haben sein Land genommen. Als er gefallen war, haben sie ihn betrauert und sich seiner Kinder angenommen, haben ihnen Schulbildung geboten etc. Tipu bekam ein prachtvolles Grabmal. Im Palastmuseum ist das alles zu sehen. Im Viktoria Memorial in Calcutta ist die ganze Geschichte noch mal aufgezeigt.

 

Das Festival von Kumbakonam

Alle 12 Jahre findet in Kumbakonam das Mahamaham-Festival statt. Ein Bad im Mahamaham Tank soll alle Suenden wegwaschen. Wegen der seltenen Gelegenheit ist der Andrang gross.

Thanjavur ist 36km von Kumbakonam entfernt. Wir haben hier ein schoenes Zimmer gefunden, leider nur fuer eine Nacht. Fuer die folgenden 2 Naechte ist schon alles belegt, und zwar einschliesslich aller nahe gelegenen Orte. Schon seit zwei Tagen fahren Busse im 3 Minuten-Takt, rund um die Uhr, von allen Orten in 60km Umkreis, nach Kumbakonam. Auch Sonderzuege, in kurzen Abstaenden sind eingesetzt. Mit mehr als 250000 Pilgern wird gerechnet. Man raet zur Vorsicht, weil solche grossen Feste oft ausser Kontrolle geraten.

Wir entschliessen uns Kumbakonam am Vortag des Festivals zu besuchen. Es gelingt uns sogar einen Sitzplatz im Bus zu ergattern. Obwohl auf den letzten Kilometern alles von Fahrzeugen verkeilt ist, laeuft der Ringverkehr der Busse relativ reibungslos ab. Der kleine Ort ist schon jetzt ueberfuellt. Neben fehlenden Uebernachtungsmoeglichkeiten sind wohl die fehlenden sanitaeren Einrichtungen ein Problem. Ueberall an den Strassenraendern ist ein ca. 50cm breiter Streifen mit Chlorkalk bestreut. Gelegentlich sind Bastmatten gespannt, wahrscheinlich als Sichtblende fuer die Frauen. Die Hitze sorgt schon jetzt fuer eine entsprechende Duftanreicherung.

Wir kommen zum Tank. Der ist fast leer, von der Sonne ausgetrocknet. Nur eine bis zu den Knien reichend schlammige Bruehe befindet sich darin. Es ist mir ein Raetsel, wie sich die vielen Pilger in diesem wenigen Wasser waschen wollen.

In den Strassen sind Maenner mit dem Schmuecken der sehr hohen Festwagen beschaeftigt. Die grossen Raeder sind voll aus Holz, desgleichen die Achsen und die Pferde. Als Antrieb dient jeweils eine Schaar kraeftiger Maenner.

Wir besichtigen verschiedene Tempel. Im Bereich um das Hauptheiligtum, den Lingnam, haben Polizistinnen Position bezogen. Es geht alles sehr geordnet zu. Kein Priester haelt die Hand auf. Die Polizistinnen haben alles im Griff. Wir haben viel Spass mit ihnen. (Ob hier morgen wohl auch alles so ist?) Im Randbereich der Tempelhalle, als auch im Umfeld, haben sich zahlreiche Familien fuer die Uebernachtung eingerichtet. Die Stimmung ist froehlich. Ein langer Zug von Menschen umrundet jetzt den Tank. Auf der Rueckfahrt sind wir allein im Bus.

17.02.1992. Heute ist Festvalbeginn in Kumbakonam. Vom Bahnhof Tanjavur fahren noch immer Sonderzuege nach Kumbakonam. Waehrend wir auf unseren Zug nach Chidambaram warten, koennen wir eine Vorsorgeimpfung gegen Seuchen beobachten.

In der Bahnhofshalle ist ein Tisch aufgestellt. Eine lange Menschenschlange steht mit aufgekrempelten Aermeln davor. Es muss schnell gehen bei diesem Andrang. Auf dem Tisch steht ein kleiner Benzinkocher. Darauf steht ein kleiner Topf mit kochendem Wasser. Eine Krankenschwester zieht die Spritze auf. Eine Aerztin verabreicht die Spritze, taucht die Nadelspitze kurz ins kochende Wasser und gibt die Spritze zurueck, um die naechste, inzwischen aufgezogene Spritze in Empfang zu nehmen. Nun wird sofort wieder die erste Spritze aufgezogen usw. Mit 2 Spritzen wird alles abgewickelt. Die Nadeln werden nicht ausgetauscht. Jetzt wissen wir, dass unsere mitgenommenen Einwegspritzen nicht sinnlos sind.

 

Der Fototrick von Chidambaram

18.02.1992. Wir besichtigen den Natarajatempel in Chidambaram. Es ist ein sehr schoener Tempel, aber sehr ungepflegt. Zwei Priester wuenschen von uns eine Spende von mindestens 300.-IRs. Ich sage, dass noch nie jemand Spenden dieser Groessenordnung von uns verlangt hat. Einer der Priester erklaert, dass in diesem Tempel 320 Priester "arbeiten", und deshalb die Spenden entsprechend hoch sein muessten. Ich kann nur den Kopf schuetteln und denke mir, wenn ihr rote Zahlen schreibt, muesst ihr halt Personal abbauen. Ich sage nichts, sie wuerden es sowieso nicht verstehen.

Spaeter werden wir aufgefordet uns eine Puja (Zeremonie) anzusehen. Der Raum ist sehr dunkel. Die Glaeubigen draengen sich vor dem kleinen Raum mit dem Priester. Der Priester laesst eine kleine Shivafigur mit Oellaempchen kreisen. Ein schoenes Motiv. (Tempel in denen das Fotografieren verboten ist, haben immer aussen ein grosses unuebersehbares in englisch geschriebenes Verbotsschild. Der Raum im Natarajatempel hat so etwas nicht.) Ich mache eine Blitzlichtaufnahme. Sofort sind 3 Priester zur Stelle. Sie wollen mir den Foto abnehmen. Ich entschuldige mich und sage ihnen, dass ich kein Verbotsschild gesehen habe. Die Priester zeigen mir ein kleines Schild, welches an einer Saeule unter einigen in Hindi geschriebene  Tafeln angebracht ist.

Diese Schild ist in dem dunklen Raum nur lesbar wenn man unmittelbar davor steht. Dazu muss man wissen, dass es dieses Schild gibt und wo es zu finden ist. Ausserdem darf es nicht, wie in meinem Fall, durch die Glaeubigen verdeckt sein. Die Priester greifen nach meinem Foto. Ich ziehe den Foto zurueck und fordere die Priester auf mit mir zwecks Klaerung zur Polizei zu gehen. Die Polizei wollen die Priester nicht, sie wollen den Foto. (Es geht eindeutig ums Abkassieren.)

Als ein Priester den Foto gewaltsam entwenden will, hole ich zum Schlag aus. (Geschlagen habe ich natuerlich nicht.) Der Priester zuckt zurueck. Man laesst von uns ab. Wir verlassen den Tempel. Unser naechstes Ziel sind die Backwaters von Pichavaram.

 

Mamallapuram – Tage am Strand

20.02.1992. Ankunft in Mamallapuram. Nach langem Inlandtrip stehen uns fuenf Strandtage bevor. Die wollen wir geniessen. Wir entscheiden uns fuer ein Hotel der gehobenen Klasse. Es liegt 2km ausserhalb des Ortes.

Nachdem wir unsere Sachen abgestellt haben, holen wir zunaechst das Fruehstueck nach. Es ist sehr gut und auch preiswert. Stuehle und Tische stehen unter einem Sonnenschutzdach direkt am Strand. Von der See her weht ein kuehles Lueftchen. Es ist angenehm. Uns gefaellt es.

In unserem Zimmer, das leider ziemlich weit vom Strand entfernt ist, wollen wir zunaechst ein Duschbad nehmen. Das Bad ist schwarz von winzigen Ameisen und sonstigen Ungeziefer. Ein Skolopender (grosser giftiger Tausendfuessler) ist auch dabei. Ich rufe den Boy und frage nach einer Flitspritze. Er hat keine. Ich verbrauche eine ganze Dose Paralpuder, bevor wir das Bad benutzen koennen. Der Boy, der meiner Aktion zusieht, moechte mir gleich den Rest des Paralpuders abkaufen. Geht nicht, die Dose ist leer.

Ich verlange frische Bettwaesche, Handtuecher, Moskitokiller und div. andere Normalitaeten. Der Boy bringt diese Dinge und nennt dabei gleich den Preis zu jedem Stuck. (In allen bisherigen Hotels, teilweise recht einfacher Art, waren diese Dinge im Zimmerpreis inbegriffen und ohne besondere Anforderung vorhanden.)

Fisch steht auf der Speisekarte. Fische haben wir schon lange nicht mhr gegessen. Aber hier, wo die Fiche fast ins Hotel schwimmen koennen, ist das natuerlich eine feine Sache. Inge freut sich schon darauf. „Heute Abend werde ich mich mal richtig mit Fisch vollschlauchen", sagt sie.

Wir bestellen Fisch. Der Preis ist im Verhaeltnis zu bisherigen Hotels recht hoch. Dafuer wird alles recht gut und reichlich sein, denken wir. Das Fruehstueck war doch auch gut.

Das Essen wird auf Holztellern serviert. Es besteht pro Portion aus 3 gebratenen kleine duennen Fischscheibchen, einigen Tomatenscheiben und etwas Pommes Frites, alles serviert auf einem Salatblatt. Es sieht gut aus und schmeckt auch gut. Die Menge  jedoch entspricht einer sparsamen Vorspeise. Es gibt auch nichts nach, wie das sonst in Indien oft ueblich ist. Das ist irgendwie enttaeuschend.

Wir bestellen noch etwas anderes, und bekommen ebenfalls Miniportionen. Auch eine weitere Ergaenzung kann uns nicht satt machen. Wir geben es auf. Die Rechnung betraegt das Sechs- bis Achtfache des gewohnten Endpreises. Wir kommen uns verschaukelt vor.

Auch andere Dinge wie z.B. Leihfahrraeder sind wesentlich teurer als anderswo. (Oft das vierfache.) Da wir ausserhalb des Ortes sind, sind wir auf vieles angewiesen. Zum Umziehen sind wir zu faul. Wir fuegen uns in die Gegebenheiten und zahlen. Es sind doch nur einige Tage. Nur beim Essen nehmen wir eine Weichenstellung vor. Das gute Fruehstueck nehmen wir im Hotel ein, die anderen Mahlzeiten im Ort.

Der Strand bringt nicht die Freude die wir uns erhoffen. Die Brandung spuelt uns regelmaessig groessere Mengen aufgewuehlten Sand in unsere Badehosen. Auch das klebrige Salzwasser empfinden wir nicht als reine Freude. Als dann auch noch ein ziemlich grosser Hai parallel zum Strand schwimmt (und alle Leute aus dem Wasser treibt) ist es mit der Badebegeisterung vorbei.

Wir wenden uns wieder der Besichtigung alter Tempelanlagen zu, und betrachten die Fischer wenn sie ihre flossartigen Boote durch die Brandung schieben. Selbst Kinder sind in der Lage ihre kleinen Boote durch die Wellen zu steuern. Bei dieser Gelegenheit spricht uns ein Fischerjunge an, ob wir bei seiner Mutter zum Fischessen kommen wollen. Das wird ein besonderes Erlebnis, und eine gute reichliche Mahlzeit.

Die Mutter breitet vor der Huette zwei Flechtmatten aus. Diese sind Tisch und Sitz zugleich. Sie serviert vier grosse graetenarme gut gewuerzte Grillfische von hervorragendem Geschmack. Gegessen wird mit den Fingern der rechten Hand. Wir schaffen nur zwei Fische, den Reis ruehren wir gar nicht erst an. Es ist einfach zuviel. Welcher Kontrast zum Hotel. Vielleicht sind die Essbestecks so teuer? Wir bleiben noch einige Zeit sitzen und unterhalten uns mit den Leuten. Dann frage ich nach dem Preis. „Give what you think" sagt der Bursche. Wir zahlen gut. Trotzdem ist es nur etwa die Haelfte unseres Gesamtpreises im Hotel. Die Dankesbezeugungen der Familie wollen kein Ende nehmen. Man merkt, das haben sie nicht erwartet, und haetten es sich sicher auch nicht zu verlangen getraut. (Die Fischer beliefern auch die Nobelhotels. Man kann sich vorstellen, wie sie dort abgefunden werden.)

Auch einige kleine Restaurants im Ort probieren wir aus. Immer essen wir Fisch, und immer ist er gut und preiswert. Vom Gedanken an sogenannte bessere Hotels sind wir erst einmal geheilt. Auch die versnobten Gaeste sind nicht unser Geschmack.

Als sehr schoen empfinden wir die regelmaessigen Strandspaziergaenge vom Hotel zum Ort und zurueck, besondes am Abend. Die Fuesse lassen wir uns dabei immer von den angenehm kuehlen Brandungsauslaeufern ueberspuelen. Wir finden es herrlich, viel schoener als das Baden.

 

 

Unser 40ter Hochzeitstag

In  Madras, unweit vom Paganal Park, kaufen wir Seide um uns etwas schneidern zu lassen. Gegen Mittag bekommen wir Hunger. Wir sehen eine Aufschrift, China Restaurant. Inge sagt: „Vielleicht waere das etwas". Ein Pfeil zeigt in einen unschoenen Hauseingang. Das Treppenhaus gefaellt uns noch weniger. Wir wollen schon umkehren, gehen dann aber doch weiter. Ueber eine kleine im Gang aufgestellte Holzbruecke fuehrt der Weg durch eine Glastuer. Ploetzlich absolute Sauberkeit und alles hochelegant. Inge sagt: „Ich denke, hier wird's zur Abwechslung wieder mal teuer".

Wir kommen in ein modernes AC Restaurant mit vorgelagerter Dachterrasse. (Die ist allerdings um die Mittagszeit zu heiss.) Die kleinen Sitzgruppen im Restaurant sind mit nagelneuen Polstergarnituren ausgestattet. Die Ober tragen dunklen Anzug, weisses Hemd und Fliege. Eigentlich zu nobel fuer uns. Ich schaue in die reichhaltige Speisekarte. Die Preise liegen ca. 20% ueber denen der einfachen Restaurants. Das ist angemessen. Wie werden wohl die Portionen sein?

Lobster nur auf Vorbestellung lese ich, ohne Preisangabe. Ich erkundige mich. Der Preis betraegt fuer einen grossen Lobster incl. Beilagen fuer 2 Personen umgerechnet etwa 10.-DM. Ich will bestellen. Das ist nicht moeglich. Man muss 1 Tag vorher bestellen, weil die Lobster immer vom frischen Fang geholt werden. Wir essen Krabben mit Fruechten und Nuessen. Es schmeckt hervorragend. Die Portionen sind reichlich. Ich bestelle Lobster fuer den uebernaechsten Tag, und bemerke dabei, dass da unser 40ter Hochzeitstag ist.

01.03.1992. Puenktlich 12 Uhr betreten wir das Restaurant. Zunaechst trinken wir gut gekuehlten Mango Lassi. (Ein Mixgetraenk aus Joghurt und Mango.) Dann wird der Lobster serviert. Auf einer Platte steht der roetliche Panzer, mit den Beinen in bunten Beilagen aus Salat und Fruechten. Das aufbereitete Fleisch ist, zusammen mit Champignons, wieder in den Panzer eingefuellt. Ein exotischer Anblick. Eigentlich ist diese Aufmachung zu schoen um sie zu zerstoeren. Schade, dass wir keinen Foto dabei haben. Wir geniessen das herrliche Essen, das schoene Lokal und ueberhaupt diesen Tag. Die Menge ist mehr als genug. Wir packen es mit Ruhe. Wir haben Zeit. Wir koennen warten bis es sich gesetzt hat. Danach vergnuegen wir uns noch an kleinen Leckereien. Eis und Kaffee bekommen wir gratis, weil wir Hochzeitstag haben. Man erlebt immer wieder Ueberraschungen in diesem Land, mal so und mal so.

 

Abstecher zu den Andamanen

Am 03.03.1992 fliegen wir nach Port Blair auf den Andamanen Inseln. Offiziell ist hier die Bewegungsfreiheit etwas eingeschraenkt. Warum versteht kein Mensch. Das normale Permit gilt nur fuer einen kleinen Bereich. Andere Gebiete sind nur per organisierter Gruppe oder mit Sonderpermit zu erreichen. Wenn man sich gut auskennt, ist vieles zu erreichen. Aber bis dahin ist der genehmigte Aufenthalt verstrichen.

Wir finden ein schoenes Hotel, muessen aber leider bald feststellen, dass der Manager ein Schlitzohr ist. Da ich nicht liebe, wenn man uns fuer bescheuert haelt, ziehen wir um. Der Wechsel lohnt sich.

Ansonsten tun wir was erlaubt ist. Fuer unseren kurzen Aufenthalt bietet sich reichlich Abwechslung. Am schoensten ist unser Besuch der Insel Havelock, die wir per Bananendampfer erreichen. Leider haben wir hier, wegen falscher Auskuenfte, nur eine Nacht eingeplant. Schade. Es kommen nur sehr wenige Touristen nach Havelock. (Das Touristenbuero in Port Blair versteht es, im Einklang mit den dortigen Hoteliers, laengere Aufenthalte ausserhalb von Port Blair zu verhindern.) Dadurch gestaltet sich der Kontakt mit den Dorfbewohnern von Havelock viel intensiver und urspruenglicher. Wir erregen das Interesse der Inselbewohner, und jeder versucht uns gleich in seinen Haushalt zu integrieren. (Ohne Geschaeftsinteressen im Hinterkopf.)

Den Weiterweg nach Calcutta absolvieren wir per Schiff. Eine schoene Abwechslung.

 

Begegnung im Tempelbezirk

Calcutta erleben wir als sehr freundliche Stadt. Ausser den Sehenswuerdigkeiten ist der gute Obstsalat mit viel koestlichem Joghurt (der beste Joghurt waehrend der ganzen Reise) in Erinnerung geblieben. Die Taxifahrer fahren per Taxometer, und als mal einer nicht will, hilft die Polizei.

Von Calcutta geht es nach Puri, das wir als Basis fuer Abstecher nach Bhubaneswar und Konarak gewaehlt haben. Hier finden wir ein schoenes Hotel, leider mit dreckigem Strand. Aber mit dem Strand haben wir sowieso nicht viel im Sinn.

Zunaechst gehen wir zwecks Information ins Touristbuero. Dort erleben wir ein typisch indisches Schauspiel. Wir fragen den Macher nach Info's. Der betaetigt eine unter seiner Schreibtischplatte befestigte Klingel. Ein Hiwi erscheint. Der Macher gibt Anweisung. Der Hiwi greift in ein Regalfach (das der Macher haette ohne aufstehen von seinem Stuhl aus erreichen koennen) und nimmt einen Prospekt heraus. Er legt den Prospekt auf den Schreibtisch und verschwindet. Der Macher uebergibt uns das Papier, und wuenscht uns eine schoene Zeit.

Den 26.03.1992 verbringen wir im Tempelbezirk von Konarak. Der Tempel ist in Form eines riesigen Wagens gestaltet. Die Raeder sind als Relief aus dem Stein gehauen. Alles ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet. Wie auch anderenorts sind zahlreiche erotische Darstellungen darunter.

Ein junges Maedchen steht vor so einer Figurenfront. Nach einiger Betrachtung ruft sie zu ihrem Freund, der sich auf einer seitlichen Terrasse befindet: „Hier musst du mal herkommen, das sind harte Sachen". Sie hat sicher nicht damit gerechnet, dass in ihrer Umgebung jemand deutsch versteht. Inge die dahinter steht sagt: „Da musst du mal nach links schauen, dort ist alles noch viel groesser". Das Maedchen dreht sich um und erroetet. Warum eigentlich?

(Es folgten Fahrten und Fluege nach Darjeeling, Sikkim und Nepal. Diese Aufenthalte sind zusammen mit unseren Trekkingtouren im Nepalteil beschrieben. Am 09.07.1992 sind wir von Kathmandu nach New Delhi geflogen)

 

Lis und unser Aufenthalt in der schweizer Botschaft

In Kathmandu hatten wir zwei nette junge Schweizerinnen kennengelernt. Eine davon, ihr Name ist Lis, erzaehlte uns, dass sie in New Delhi in der Botschaft arbeitet. Sie sagte uns, falls wir nach Delhi kaemen sollten wir sie doch mal besuchen. Da alle Fluege nach Leh ausgebucht waren, ergab sich ein nicht vorgesehener Aufenthalt zur Busticketbeschaffung. Wir telefonierten deshalb mit Lis, ob wir fuer einige Zeit einen Packsack mit ueberfluessigen Sachen bei ihr abstellen koennten. Sie willigte sofort ein, und bot uns gleich die Uebernachtung an. Unsere Maschine landete erst in der Nacht. Da war uns das recht angenehm.

Wir hatten mit einem bescheidenem Notlager gerechnet. Besser als naechtliche Hotelsuche waere das mit Sicherheit. Was uns erwartete war Luxus pur, laengst ungewohnter Luxus. Wir haben es genossen. So sehr wir uns auf das Land und seine Bevoelkerung eingestellt hatten, so sehr wir uns inzwischen mit allen kleinen Maengeln abfanden und sie als Normalitaet betrachteten, so schnell wurden wir in eine andere Welt katapultiert, in unsere eigentliche Welt. Aber der Uebergang geschah  sehr natuerlich, freundlich, ja herzlich und angenehm. (Ganz anders als wenn wir gelegentlich dem Europa des z.T. versnobten Massentourismus begegneten.)

Wir haben noch lange gesessen, haben uns erzaehlt, haben uns am naechsten Tag im Swimmingpool getummelt etc. Auch bei den anderen Botschaftsangestellten waren wir sofort akzeptiert. Einfach herrlich. (Wenn ich an so manchen Kontakt mit unseren Auslandsvertretungen denke, die mir immer etwas wilhelminisch steif vorkommen, meine ich, der Weg von Deutschland zur Schweiz ist wohl sehr lang.)

Vor unserem Heimflug hatten wir nochmal Aufenthalt bei Lis. Es werden fuer immer unvergessene Tage bleiben.

 

Tage in Ladakh

Die Busfahrt nach Leh war ein Hammer fuer meinen fuenften Halswirbel. Ich kam ziemlich zermatscht dort an. Eine Bronchitis belastete mich zusaetzlich, und die abnormal trockene Luft wollte mir nach nahezu elf Monaten feuchter Hitze auch nicht bekommen.

Wir haben uns zunaechst auf Klosterbesuche konzentriert. Das ergab keine besondere Anstrengung, und ich konnte es auch mit ausgetrockneten Atmungsorganen ganz gut verkraften. Die Geister und Daemonen empfand ich dabei interessante als die Buddhas. Die Kontakte mit den Moenchen, aber auch die Ladakhis allgemein, wirkten immer sehr beruhigend. Ihre innere Zufriedenheit uebertraegt sich.

Wir konnten Tanzfestivals und andere Zeremonien miterleben. Die Buddhisten haben inzwischen auch einen gewissen Geschaeftssinn entwickelt. Aber die Form ist angenehm und man spendet gern. Aufdringlichkeiten gibt es nicht. Hoffentlich bleibt es so.

Im Yak Tail Hotel hatten wir eine Begegnung mit einer unangenehmen deutschen Reisegruppe. Um keinen falschen Eindruck entstehen zu lassen, moechte ich erwaehnen, es gab auch angenehme Gruppentouristen. Aber Normalitaet braucht man nicht beschreiben.

Das Yak Tail hat einen Hof mit grossen Topfpflanzen, Tischen, Stuehlen und Sonnenschirmen. Dort nahmen wie oftmals am Nachmittag einen kleinen Drink ein. Nach Ankunft der Reisegruppe wollten wir das wieder tun. Da wurde uns gesagt, die Reisegruppe wuensche den Hof fuer sich allein zu haben. Also gingen wir zur Gaststube. Dort wurde uns gesagt, es wuerde fuer die Reisegruppe zum Abend gedeckt. Hinten im Seitengebaeude waere ein kleiner Nebenraum, da koennten wir hingehen.

Wir wohnten inzwischen 2 Wochen im Yak Tail. Die Reisegruppe war soeben eingetroffen. Hatten die vergessen, dass die Zeit der Herrenmenschen schon vor nahezu 50 Jahren beendet wurde?

Normalerweise ist es mir nicht unbedingt wichtig in welchem Raum ich sitze. In diesem Fall war ich jedoch nicht bereit mich abschieben zu lassen. Dem Kellner sagte ich, dass wir keine Zweite-Klasse-Gaeste waeren, und dass uns diese Leute vorkaemen wie eine Besatzungsmacht. Wir suchten uns ein anderes Restaurant. Einige andere Touristen, die nicht im Yak Tail wohnten aber wegen des guten Essens immer hier her kamen, nahmen wir gleich mit.

Als wir zurueckkamen entschuldigte sich der Manager und erklaert uns, dass das Hotel z.Zt. nicht voll besetzt waere, und dass sie auf solche Gruppen angewiesen seien, dass diese Leute nur 2 Naechte bleiben werden etc. Ich erklaerte ihm, dass das Unterordnen unter solche Typen schon immer ein Fehler gewesen sei, und dass wir dazu nicht bereit waeren. Wenn das Yak Tail zu eng wuerde, koennten wir uns auch ein anderes Hotel suchen.

Am naechsten Morgen sagte er mir, es waere alles geregelt, die Gruppe muesste in Zukunft in den Nebenraum. Das Hotelpersonal und der Manager hatten ab diesem Tag eine Wortschatzerweiterung bekommen. "Ocupation Army".

 

LKW Rennen

Nach Leh waren wir in Alchi, wo wir vor allem in den kleinen Nachbarorten schoene Kontakte mit der Bevoelkerung hatten. Wir trafen auch Touristen die von Kaschmir kamen. Die Informationen waren uneinheitlich. Aber die Meinung, dass Touristen vom Buergerkrieg kaum betroffen seien, herrschte vor. Ich war noch immer etwas ausgedoerrt, und Inge hatte mehr Lust auf Kaschmir als auf unseren geplanter Zanskar-Trek. Zunaechst wollten wir aber noch Lamajura besichtigen.

Von Lamajura bekamen wir keinen Bus nach Srinagar. Wir sassen bereits einen halben Tag am Strassenrand als ein LKW anhielt. Der Fahrer, ein Sikh, war bereit uns mitzunehmen. Wir bekamen Platz in der Fahrerkabine.

Sehr weit kamen wir nicht. Dann mussten wir auf einen grossen Platz herausfahren. Die Strasse ist streckenweise einspurig. Die Verkehrsregelung erfolgt durch das Militaer. Auskunft ueber den Weiterfahrtstermin war nicht zu erhalten.

In der Kantine der Armee gingen wir zum Kaffeetrinken. Ploetzlich rannten alle zu den Fahrzeugen, wir auch. Dann  ging es los. Alle kurbelten wild durcheinander. Jeder wollte der Erste sein. Wenn die Strasse auf kurzen Streckenabschnitten etwas breiter war, wurden Ueberholversuche gemacht. (Bei seitlich gaehnender Tiefe ohne Leitplanke.)

Ich fragte unseren Fahrer nach dem Sinn solchen tun's, da uns dies doch nur eine LKW-Laenge nach vorn braechte. Er erklaerte mir, dass am naechsten Haltepunkt Nummern entsprechend der Einfahrtsfolge ausgegeben wuerden, und dass in dieser Reihenfolge auch gestartet wuerde. Manchmal duerfte aber nur ein Teil der wartenden Fahrer starten, dann waere es gut eine niedere Nummer zu haben.

Nach einigen Stunden wieder Haltepunkt. Es begann inzwischen zu dunkeln. Unser Fahrer holte seine Nummer und der Boy begann das Abendessen zu bereiten. Der Bruder unseres Fahrers kam mit zu uns auf den LKW. Nach dem Essen leerten sie, zusammen mit einem dritten Fahrer, eine Flasche Rum. Wir waren bei allem integriert, nur auf den Rum haben wir verzichtet.

Als wir gerade die Schlafmatten ausrollen wollten, kam das erneute Startsignal. Wieder wollte jeder der Erste sein. Wieder draengten sie von allen Seiten auf die Strasse. Wieder sah alles sehr chaotisch und nach Beinahezusammenstoessen aus, und wieder ging alles ohne Schrammen ab. Der Soldat der die Nummern einsammelte hatte gar keine Zeit die Nummern anzusehen. Er haette auch keine Chance gehabt die LKW's zu sortieren. Zudem war Nacht und er stand ohne Lampe da.

Das LKW-Rennen lief im nun schon bekannten Stil ab. Etwa 20km hinter Kargil war dann wieder Sendepause. So haben wir das noch mehrmals erlebt. Zunaechst konnten wir aber erst einmal schlafen. Es war eine sehr abenteuerliche Fahrt in angenehmer Gesellschaft. 2,5 Tage haben wir so verbracht.

Nur an einem Haltepunkt lief der Start etwas anders ab. Dort waren wir beim Kommandeur der Truppe zum Tee eingeladen. Er fragte uns auch auf welchem LKW wir mitfahren wuerden. Vor dem Start wurde dann alles abgesperrt und unser LKW in die vorderste Position gebracht. Das hat unseren Fahrer bestimmt gefreut.

In Sonnamarg, das ist 80km vor Srinagar, haben wir nochmal unterbrochen um uns die Gegend anzusehen. Von dort wurden wir von Kaschmiris in einem Taxi mitgenommen. Offensichtlich war das so, weil die Kontrollen vor Srinagar schneller gehen wenn Auslaender mitfahren.

 

Bootstrekking in Kaschmir

Am 16.08.1992 erreichten wir Srinagar und quartierten uns in einem Hausboot auf dem Nageensee ein. Zu Ladakh war das ein Kontrast in mehrfacher Hinsicht. Dort nahezu alles grau und trocken, sogar die Luft. Hier alles gruen und wir direkt auf dem Wasser. Aber noch mehr zeigte sich der Unterschied bei den Menschen. Dort die ruhigen, zuruckhaltenden, bescheidenen und ueberaus ehrlichen Ladakhi. Hier die zwar freundlichen, sonst aber bis zur Aufdringlichkeit geschaeftigen und auch schlitzohrigen Kaschmiri. Groesser kann der Kontrast kaum sein.

Die Landschaft empfanden wir als super und als guten Abschluss unserer Reise. Fuer die menschliche Seite hatten wir inzwischen genug Indienroutine um auch da die Weichen richtig zu stellen. Wir haben unseren Aufenthalt genossen, haben div. Shikarafahrten unternommen und auch einen 4 Tage Bootstrek zum Mansbalsee. Wir haben dabei in der Shikara uebernachtet, wurden gerudert und bekocht. Wir haben die schoene Seenlandschaft genossen und auch die vielen Lotosblumen. Vom Buergerkrieg hatten wir bis dahin noch nicht viel gemerkt. Der Nageensee ist 6km von den MG-Nestern in Srinagar's Strassen entfernt, der Mansbalsee noch weiter.

Waehrend der Rueckfahrt gerieten wir dann doch noch etwas zwischen die Fronten. Ein Teilstueck unserer Anreiseroute war durch die Armee gesperrt. Unser Shikarafahrer hatte das in einem Dorf das wir passierten erfahren. Er waehlte einen Umweg durch einen schmalen Kanal zwischen verschiedenen Schilfinseln. Ploetzlich standen bewaffnete Burschen am Ufer und deuteten uns bei ihnen anzulegen. Die Entfernung war kurz, die Leute mit Maschinenpistolen, Panzerfaeusten und anderem Kriegsgeraet ausgeruestet. Auch eine kleine Rakete hatten sie dabei. Wir hatten keine Wahl. Unser Bootsfahrer ruderte die wenigen Meter zum Ufer.

Zunaechst wurden wir bezueglich Herkunft, Reiseziel und Nationalitaet befragt. Dann interessierte man sich fuer meine Kamera. Dabei fuchtelten die Burschen staendig mit ihren Schiesseisen in der Luft herum. Wahrscheinlich wollten sie Staerke demonstrieren. Das Boot haben sie aber nicht betreten.

Meine Kamera wollten sie gern haben, ob geschenkt oder verkauft haben sie nicht gesagt. Ich habe ihnen erklaert, dass wir nach Kaschmir gekommen sind um dieses schoene Land zu sehen und zu fotografieren. Die Kamera sei dazu unerlaesslich. Dann wollten sie die Kamera geliehen haben um sich gegenseitig zu fotografieren. Ich erklaerte ihnen, dass ich meinen letzten Film eingelegt haette und diesen nicht herausnehmen koennte. (Das entsprach sogar den Tatsachen.) Zuletzt sollte ich die Burschen fotografieren. Das hielt ich fuer riskant wegen evtl. Kontrollen. Ich sagte, dass ich meine wenigen letzten Bilder fuer die schoene Landschaft benoetige, waehrend ich zu ihnen gar keine Beziehung habe, und deshalb an solchen Bildern nicht interessiert sei.

Nun erklaerten sie mir, dass sie doch die Freiheitskaempfer von Kaschmir seien, und ich die Bilder daheim an die Presse geben solle, weil die Welt das doch erfahren muesse.

Die meisten der Burschen waren schaetzungsweise zwischen 18 und 24 Jahre alt, zwei davon knapp 30. Was wollten die wohl verbessern, veraendern oder befreien? Wahrscheinlich haben sie nicht einmal einen Beruf erlernt. Das Schiessen scheint auch eintraeglicher zu sein. Alle sahen gepflegt aus und waren gut gekleidet, zwei sogar im hellen Seidenanzug. Kaempfer stellt man sich eigentlich anders vor.

Ich betrachtete die Burschen ohne zu antworten. Haette auch nicht gewusst was ich sagen soll. Dann fragte einer, ob ich denn nicht wuesste was in Kaschmir los ist. Ich antwortete: „Wir sind schon ein Jahr unterwegs und haben keine neueren Informationen". Darauf sagte einer der Kaschmiris: „Das geht doch hier nicht erst seit einem Jahr, das geht doch schon ueber viele Jahre. Das muesst ihr doch wissen". Ich antwortete: „Ich bin 66 Jahre alt und Rentner, da interessiert man sich nicht mehr fuer solches Zeug".

Die Burschen winkten ab. Wir sollten fahren. Wahrscheinlich hielten sie uns fuer bescheuert, was mir in diesem Fall sehr angenehm war.

Am folgenden Morgen haben wir dann noch eine kleine Schiesserei erlebt. Aber das ging alles ueber unsere Koepfe hinweg, waehrend wir noch im Schlafsack am Boden unserer Shikara lagen. Gesehen haben wir die Leute nicht. Es hat auch nicht lange gedauert. Wenige Stunden spaeter sassen wir wieder unbehelligt auf der sonnigen Veranda unseres Hausbootes.

 

Harry Rost, geschrieben waehrend der Reise und kurz danach, kleine Ergaenzungen 2010

 

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updated  02.05.14

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