Hindukusch Reise 1978

Hindukusch   Kurzbericht - Reiseroute

Ich habe während dieser Reise bereits an einem handschriftlichen Bericht geschrieben und diesen danach auch fertig gestellt. Ich stand damals noch im Berufsleben. Die Zettelwirtschaft, z.T. waren es auch einfache A5 Schulhefte, verschwand dann allgemein immer in irgendeiner Schublade. Irgendwann ist der Bericht scheinbar einer allg. Entsorgung zum Opfer gefallen. Anhand von Notizen etc. musste ich ihn nun neu produzieren. Ich denke das ist nicht schlecht, weil ich dabei auch Gedanken zu dem was sich in letzter Zeit in diesem Gebiet getan hat mit einbeziehen kann.

Der Start war kompliziert. Wir wollten eigentlich in den afghanischen Hindukusch, was wegen der Unruhen im Lande unmöglich wurde. Wir mussten in den pakistanischen Hindukusch umplanen. Beide Länder hatten wir von vorherigen Reisen in sehr guter Erinnerung.

Es gab weitere Schwierigkeiten, die im Bericht enthalten sind. Aus diesen Schwierigkeiten ergab sich, dass wir streckenweise mit einer polnischen Expedition unterwegs waren. Die Polen haben ihren Expeditionsbericht in einer Broschüre

"Sonne über dem Tirich Mir" veröffentlicht. Meine frühere Arbeitskollegin, Frau Gertraude Gruber, war so gut mir eine Übersetzung der Passagen in denen etwas zu unserer Begegnung berichtet wird, zu besorgen. Ich füge diese Passagen, die die Sicht der Polen zeigen, an den entsprechenden Stellen blau markiert ein.

Am 23.06.1978 konnte es dann endlich losgehen. Wir starteten, wie üblich stark überladen, mit meinem nicht gerade neuen VW 412 Kombi. Gewisse Bedenken wegen der Elektronik hatte ich schon. So etwas war damals in den Ländern die wir durchqueren mussten nicht reparabel. Ein Durchreise Visa für Afghanistan hatten wir nicht. Die afghanische Botschaft in Bonn war zu dieser Zeit geschlossen. Alternative wäre ein Umweg über Quetta in Belutschistan gewesen, eine Abschnittsweise noch nicht ausgebaute Strecke.

Mit dem mir eigenen Optimismus sind wir gestartet. Die uns bereits bekannte Strecke bis Teheran haben wir in 5 Tagen geschafft. Wir fuhren abwechselnd, teilweise auch in der Nacht. Eigentlich war es schade nur zu fahren ohne das Schöne an dieser Strecke noch einmal zu genießen. Mein Beruf, der mir immer auch viel Freude bereitete, hat mich leider einiger schöner Erlebnisse beraubt. Während der Fahrt durch die hintere Türkei wurde uns die Übernachtung in einem von bewaffneten Posten gesicherten Lastzugfahrercamp empfohlen. Es hatte Überfälle gegeben.

In Teheran quartierten wir uns bei Amir Amiralai, meinem leider inzwischen verstorbenen Seilgefährten von der Alam Kuh Nordwand, ein. Nun wurde es ernst. Für die Weiterreise benötigten wir ein Durchreisevisum für Afghanistan. Die Perser sprechen Farsi wie die Afghanen. Damit wurde es für Tooran, Amirs Frau, recht Einfach für uns ein Durchreisevisum von der afghanischen Botschaft zu besorgen. Die Rückreise blieb dabei ungeklärt.

Zwei Tage später fuhren wir weiter nach Mashad. Dort wollten wir diesmal auch die Moschee besuchen, das zweitwichtigste Heiligtum im Iran nach Ghom. 1969 hatten wir das aus Zeitmangel weg gelassen. Inzwischen waren im Iran religiöse Fanatiker am Werk. Der Besuch heiliger Stätten war für Nichtmoslems gefährlich geworden. Wenige Tage vorher waren in Ghom 2 Amerikanerinnen erstochen worden. Tooran lieh oder schenkte der Inge aus diesem Grund ihren Shadoor. Tooran ist eine moderne Frau und meinte, sie wolle den Shadoor nicht mehr anziehen. Ich denke das wird nicht ganz gelungen sein.

Als wir am späten Abend Mashad erreichten war es sehr schwül warm und die Stadt war voller Pilger, moderne Pilger die auch per Auto anreisten. Es war ein religiöser Feiertag. Wir haben an irgendeinem Straßenrand eingeparkt, die Fenster etwas heruntergekurbelt, die Heckklappe geöffnet, und uns auf die Schlafsäcke gelegt. Viel Schlaf bekamen wir nicht bei der Hitze.

Am anderen Morgen fuhren wir zur Moschee. Inge legte den Shadoor an  und wir gingen hinein. Zunächst in den großen Hof mit vielen Menschen und Tauben, wo wir von einer Nische aus dem Treiben zusahen. Zwischen der Wand und uns war niemand. Vorsichtig habe ich meine Spiegelreflexkamera hervorgeholt. Die Dinger waren damals noch recht ungünstig groß. Ich konnte einige Bilder machen.

Dann sind wir, nachdem wir die Schuhe am Eingang abgestellt hatten, in das Innere des Hauptgebäudes. Die Gläubigen standen dicht an dicht. Mehrere Vorbeter waren aktiv. Wir empfanden ein Gewirr von Lauten die wir nicht verstanden, drückende Enge und viel Schweiß. Stück für Stück schoben wir uns in dem düsteren Raum durch die Menge in Richtung Hauptheiligtum. Bis auf etwa einen Meter war ich heran. Ich kämpfte mit mir ob ich nicht doch ein Foto schießen sollte. Aber das wäre nur unter Einschaltung des Blitzers etwas geworden.

Plötzlich ein Geschrei hinter mir. Der Inge war das Schaltuch des Shadoors vom Kopf gerutscht und die Haare quollen heraus. Ein Fanatiker hatte es gesehen, und gesehen dass da wer im Raum war der nicht hinein gehörte. Einige Hände griffen nach der Inge. Ich fuhr dazwischen, aber es waren zuviel. Glücklicherweise war da ein Mann mit kühlem Kopf, der uns beide unbeschädigt aus dem Raum führte. Auch meinen Foto hatte ich noch. Wir zogen unsere Schuhe an und verschwanden schleunigst.

Weiter ging's nach Herat. Es ging schnell. Da wo 1969 noch Salzwüste war, war jetzt Straße. Seitlich sahen wir gelegentlich noch Reste der ehemaligen Rollbahn, und staunten über das was wir damals geschafft hatten. Die Grenzpassage war problemlos, zumindest für uns. Einige die weniger zivilisiert aussahen mussten zunächst in die Quarantänezone.

In Herat mussten wir in einer Herberge übernachten. Am Straßenrand war wegen der Unruhen zu gefährlich. Wir schauten am Abend noch im Teppichbazar vorbei, denn wir wollten auf der Heimfahrt einen Belutsch mitnehmen. Haben auch einen ausgesucht und den Preis fixiert. Dabei erfuhren wir, dass die neue Regierung einen Devisen Sonderkurs für Touristen eingeführt hatte, der aber nur bei der Zentralbank in Kabul erhältlich war. Die Regierung wollte damit den Schwarzmarkt austrocknen. Anderentags starteten wir sehr früh, aber bei Kandahar war die Mittagshitze doch fast unerträglich. Wir fuhren durch. Der Fahrtwind bei offenen Fenstern war dabei das Angenehmste.

Kabul erreichten wir bei Nacht. Es herrschte Ausnahmezustand. Auf einem Platz im Zentrum standen zwei abgeschossene Panzer schlechter Qualität, dünnes Blech. Zwei Männer richteten ihre Maschinenpistolen auf uns und riefen: "Rucki werch!"

Ich sagte zu Inge: "Das sind Russen". Diesen Ruf kannte ich noch, es heißt Hände hoch. – Ein Witz, wie und warum sollte ich im Auto die Hände hoch nehmen. Ich öffnete die Tür um zu erfahren was das soll. "Towarischtsch", d.h. Genosse, sprach mich der Mann an. Wieder russisch. Ich weiß nicht ob es Polizei oder Militär war.

Ich versuchte dem Typen zu erklären, dass wir doch nur ein ruhiges Plätzchen suchten, um im Auto zu campieren. Wir mussten in ein Hotel. Ich wusste keines. Der Mann zeigte uns eins. Dann war erst einmal Ruhe, und das tat uns gut nach der langen Fahrt. Im Zimmer war ein Ventilator. So etwas wie eine simple Dusche gab es auch. Wir schliefen schnell ein.

Am Morgen dann zunächst zur Bank, danach zur deutschen Botschaft. Wir erhielten die Möglichkeit zum Gesprächskontakt, aber nur durch eine etwa DIN A 4 große Luke. Ich wollte wissen ob es möglich sei unter den derzeitigen Umständen nach Bamyan zu fahren. Die Antwort: "Wir wissen das nicht, wir haben das Haus schon seit Wochen nicht mehr verlassen, das ist doch viel zu gefährlich". Nun wusste ich was für Schleimscheißer uns für unsere Steuergelder im Ausland vertreten.

Wir fuhren los. Wir hatten es eilig. Nicht nur dass wir keine Genehmigung für Bamyan hatten, unser Durchreisevisum galt auch nur 5 Tage. Die Straße Richtung Mazar i Sharif war gut, nach dem Abzweig ging es dann gelegentlich ziemlich wild durchs Gebirge. Ein spitzer Stein, den ich heute noch habe, durchstach einen Reifen. Das Loch war zu groß um es mit meinem einfachen Reparaturzeug zu flicken. Also Radwechsel, in der Hoffnung dass es keinen weiteren Störfall gibt. Schlitzäugige Kinder schauten zu. Das sind Dschingis, nachkommen von Dschingis Khans Armee.

Noch am Abend erreichten wir Bamyan. In der Hoffnung auf Touristen hatten die Afghanen dort kurz vorher einen Campingplatz mit Jurten errichtet. Das war eine schöne ebene Fläche. Wir stellten unser Auto zwischen die Jurten, schliefen aber im Auto. Wir wurden gefragt, wenn denn endlich wieder einmal Touristen kämen. Ich denke, die sind bisher nicht gekommen. Weil die großen Buddhas inzwischen gesprengt wurden, werden sie wohl auch nicht so bald kommen.

An nächsten Morgen liefen wir zu den Buddhas, stiegen hoch bis in den Kopf und schauten durch die Augen über das Land. Wir besuchten auch einige Höhlenwohnungen und gingen Während der größten Nachmittagshitze ins Cafe und zum Frisör. Die Burschen beim Frisör hatten wenig Arbeit und viel Zeit. Wir haben uns mit ihnen unterhalten. Sie lebten in einer der alten Höhlenwohnungen. Sie sagten, da wäre es angenehm kühl in der Nacht. Am Ende ließen sie noch den Jüngsten von ihnen nach ihrer Musik für uns tanzen.

Am nächsten Morgen ging es dann zu den 7 wunderschönen Seen von Band i Amir. Die Schotterstraße dahin ist nicht schlecht. Wir waren das einzige Fahrzeug.  Unterwegs boten uns Kinder selbst gefertigte und bemalte Tonpfeifen an. Zwei davon besitze ich noch. Die Seen bilden eine Traumlandschaft. Jeder in einer anderen Farbe, glasklar und mitten in der Wüste. Nur an den Rändern der Seen etwas grüner Bewuchs.

Auf der Rückfahrt begegneten wir einigen scheuen Nomadenkindern, die wir mit einigen Geschenken in Form von Textilien in Fotografiernähe locken konnten.

Den Folgetag haben wir noch einmal in Bamyan verbracht, vorwiegend im Bazar. Haben gut gegessen und Inge kaufte noch Kettchen aus Lapislazuli und Malachit. Dann mussten wir schleunigst die Rückreise nach Kabul antreten. Das war nicht einfach. Eine Mure hatte die Straße verschüttet. Wir mussten nach Norden ausweichen und durch den Salang Tunnel fahren. Am Abzweig ist hoch oben ein in die Sandsteinfelsen gehauener verlassener Ort. Gern hätte ich mir das aus der Nähe angesehen. Die Hitze und das bereits abgelaufene Visa haben mich abgehalten.

Die vom Norden, d.h. von Mazar i Sharif,  kommende Straße ist sehr gut. Sie wurde von den Russen gebaut, wohl schon in Vorbereitung der Besetzung des Landes. Der Tunnel war dabei erforderlich, damit die Panzer nicht in zahlreichen Kehren über den Pass müssen.

Als wir am nächsten Tag die Grenze passierten war unser Durchreisevisum natürlich zeitlich überzogen. An der afghanischen Grenze ergab das keine Schwierigkeiten. Dafür lief es auf der pakistanischen Seite nicht so glatt. Wir hatten uns in Deutschland ein Visum von der pakistanischen Botschaft in Bonn besorgt. Als wir unsere Pässe vorlegten verlangte der Grenzbeamte von uns ein Visum. Ich zeigte ihm den Visa Stempel im Pass, und sagte dazu dass wir das Visa von der Botschaft in Bonn besorgt hatten. Er meinte Bonn gelte nicht, hier wäre Pakistan. Ich war nicht scharf auf unnützes Geplapper, fragte nach dem Preis, und da dieser niedrig war willigte ich ein.

Er hatte den Preis in Pakistanischen Rupees genannt. Die Einfuhr pakistanischer Währung ist verboten und ich hatte auch keine dabei. Ich wollte in D-Mark zahlen, er wollte Rupees. Eine Bank gibt es nicht an dieser Grenze, aber ein Schwarzhändler war bereits im Raum. Schwarztausch ist verboten,- für den Komplizen des Zöllners natürlich nicht. Ich zückte einen passenden kleinen Schein. So geht das nicht, hier werden nur 100.-DM Scheine getauscht, wurde ich aufgeklärt. Der Wechselkurs war mehr als total schlecht. Da lag also der Hase im Pfeffer. Der Gewinn wird wahrscheinlich später zwischen Zöllner und Komplizen geteilt, und das mehrmals pro Tag.

Nun hatten wir freie Fahrt bis Peshawar. Dort durften wir unseren PKW im Garten eines Hotels abstellen, wo er während unserer längeren Abwesenheit sicher war. Geschlafen haben wir im Auto. In diesem Hotel gab es auch Bier, was sonst in Pakistan verboten ist, 5.-DM die Flasche. Das Bier stammt aus der Murrybrauerei in Rawalpindi. Den deutschen Braumeister Heinz Kiel haben wir 1969 besucht. Damals bekamen wir das Bier kostenlos, und noch einige Flaschen für die Weiterreise.

Am anderen Morgen mussten wir uns um unsere Fugtickets nach Chitral kümmern. Ein Permit für Chitral hatten wir nicht. Wir wurden auch nicht gefragt. Vielmehr erzählte man uns dass für die nächsten 2 Wochen alles ausgebucht sei, und dass  zwischendurch immer wieder Flüge wegen der Witterung ausfielen. Ich bin hartnäckig bei solchen Sachen. Habe erzählt dass ich nur wenig Urlaub habe und nur wegen der Berge des Hindukusch die lange anstrengende Autofahrt auf mich genommen habe, und vieles mehr.

Nach langer Quatscherei bekamen wir dann Tickets für den 11.07., d.h. übermorgen. Die Zwischenzeit haben wir mit der Besichtigung von Bazar, Moschee etc. verbracht.

Am Morgen des 11.07. erfuhren wir, dass an diesem Tag wegen Schlechtwetters nicht geflogen wird. Die Zeit zu nutzen fuhren wir per Linienbus zum Fuß des Takt i Bashi, um die Ruinen zu besichtigen. Wahrscheinlich hätten wir die nie gefunden, da hoch oben in den Bergen. Zwei Buben ahnten was die beiden Fremden da suchten, natürlich in der Hoffnung auf einen Bakschich. So wurde das eine schöne Ergänzung unseres Programms.

Am nächsten Morgen hatten wir Schönwetter. Der Vogel war allerdings für eine Armeeeinheit vorgesehen. Uns hatte man wohl nur dazwischen geschoben, um den lästigen Quatscher los zu werden. Für unsere großen Packsäcke fehlte der Platz. Die sollten irgendwann später folgen. Ein gut gekleideter Herr fragte von wo wir kommen. Als er Germany hörte, erzählte er uns dass sein Bruder in der pakistanischen Botschaft in Bonn arbeitet. Scheinbar war das ein einflussreicher Mann. Ich erzählte ihm unser Malheur. Da wurden einige Militärklamotten aus der Maschine genommen, und unsere Packsäcke kamen hinein. Das war allerhand im damaligen Pakistan. Noch immer regierte der Staatsgründer General Ajub Khan und die Armee hatte das Sagen.

Nach der Landung schnappte ich mir einen Jeep mit Fahrer. Jürgen Voigt hatte mir gesagt, wenn ihr erst einmal unbemerkt durch Chitral hindurch ins erste Gebirgstal  eingebogen seid, müsst ihr nur noch darauf achten dass ihr keiner Gruppe mit Begleitoffizier begegnet, dann schafft ihr es auch ohne Permit. Also Gepäck auf den Jeep und los.

Wir waren schon einige km hinter Chitral, da fragte unser Fahrer ob wir ein Permit hätten. Ich dachte er will wissen wie er sich bei Kontrollen verhalten muss, schließlich war die Fahrt doch sein Geschäft. Er meinte, ohne Permit könne er uns nicht weiter fahren, wir müssten uns in Chitral ein Permit besorgen. Er fuhr zurück, und direkt vor das Gemeindehaus. Ich bekam das Permit sofort, aber nur für den Ort Chitral, nicht fürs Gebirge. Das gab es nur für angemeldete Gruppen. Für den Fahrer war das unwichtig. Vielleicht konnte er gar nicht lesen.

Wir fuhren noch am Stadtbüro der Fluggesellschaft vorbei. Wollte gleich die Ruckflugtickets kaufen und den Flug buchen. Da saßen nur einige Bauern, die Angestellten waren an Flugplatz. Wegen des an diesem Tag sehr schönen Wetters fand außerplanmäßig ein zweiter Flug statt. Ich schrieb unsere Namen und das gewünschte Rückflugdatum auf einen Zettel, legte diesen nebst dem erforderlichen Geld auf einen Tisch im Raum, und versuchte den Anwesenden klar zu machen dass  der Manager wenn er zurück ist, sich das ansehen soll.

Neustart und nach einiger Zeit verstopfte Straße. Ein Stück Straße war abgerutscht. Eine polnische Expedition stand mit 8 Jeeps und ihrem Begleitoffizier davor. Als unser Jeepfahrer die Abbruchstelle sah wollte er nicht mehr, oder nur für eine astronomische Summe. Wir befanden uns bei der Ortschaft Maroi. Dort gibt es ein kleines Teehaus. Wir brachten unsere Packsäcke dahin und ich zahlte den Fahrer aus, in der Hoffnung dass er einlenkt um das Geschäft nicht zu verlieren. Ich hatte mich geirrt.

Zunächst half ich bei der Straßenreparatur und sprach dabei einen der Polen an. Es war der Bernhard Koisar, ein promovierter Geologe der deutsch spricht. Sein Bruder war zu dieser Zeit Technischer Direktor bei VW Brasilia. Ich hatte auch 1968 schon einmal Briefkontakt mit ihm gehabt, ohne dass wir uns kannten, wegen der Eiger Nordostwand. Das habe ich aber nicht gesagt. Habe nur gefragt, ob wir unsere Packsäcke über die Jeeps der Polen verteilen dürften, wir würden etwas zuzahlen. Er brachte mich zu Starschik dem Expeditionsleiter. Dieser meinte, wenn der Begleitoffizier nichts dagegen hat soll es ihm recht sein.

Der Begleitoffizier saß im Teehaus. Ich setzte mich mit Inge dazu. Ich bestellte 3 Tee und legte einige unsere Kekse auf den Tisch. Nach dem Tee begab ich mich wieder an die Straßenreparatur. Die Inge blieb sitzen und hat das Gespräch zunächst mit Nebensachen begonnen. Später hat dann der Starschik das Gespräch auf das eigentliche Thema gebracht, und mir anschließend mitgeteilt dass wir bis Knoll mitfahren dürfen. Dort war für die Polen das Ende der Jeepfahrt. Dort begann ihr Aufstieg zum Basecamp. Unser Ziel lag weiter hinten im Tal.

Nun füge ich die erste Passage aus dem Buch der Polen ein. Ich tue das buchstabengetreu, so wie das in der Übersetzung steht, so z. B. die andere Schreibweise für Chitral. Tareen ist der Familienname des Begleitoffiziers Fida Ullah Tareen. Wir haben ihn später mit Fida angesprochen.

 

Auf einem Jeep sah ich charakteristische grüne Säcke, wie sie von deutschen Expeditionen und Trekking Gruppen benutzt werden.

Wir trafen Harry Rost und seine Frau Inge. Schnell machten wir nähere Bekanntschaft mit diesen sympathischen Deutschen. Sie waren mit dem Auto aus München gekommen und wollten im afghanischen Hindukusch bergsteigen. Die letzten politischen Ereignisse hatten diesen Plan aber unmöglich gemacht. Deshalb kamen sie nach Pakistan. Nach Czitral kamen sie mit dem Flugzeug. Ganz leise haben sie uns gebeichtet, dass sie keine Erlaubnis zum Aufenthalt in den Bergen haben. Den Kontrollpunkt in Czitral konnten sie glücklicherweise umgehen, aber jetzt haben sie Angst, dass die Tareen einen Passierschein zum Verlassen von Czitral verlangen könnte.

- Sprecht Ihr mit Eurem Offizier – bittet Harry. - Wenn es Schwierigkeiten gibt finden wir bestimmt einen Bakschisch. Es wäre schön wenn wir in die Berge dürften. Es liegt uns viel daran. Wir sind dafür schon eine so weite Strecke gefahren….

Die Tareen haben sich von Staszeks Argumenten überzeugen lassen. Aber das ist noch nicht alles, sie erlaubten sogar, dass die Deutschen sich unsere Gruppe anschliessen und wir gemeinsam weiter reisen.

- So ist es für beide Seiten am besten. Auf diese Art und Weise kann ich Euch beide die ganze Zeit beobachten, und Ihr beide findet auf Bergtour Unterstüzung. Reisen in diese Region alleine mit Frau ist leichtsinnig, schloss ich mit einem Tadel.

- Dankeschön Herr Hauptmann, im Namen der ganzen Gruppe – als Leiter war ich ganz offiziell.

Nichts zu danken – winkte der Tareen ab.- Deren Glück ist es, dass sie mich getroffen haben. Ein anderer Offizier hätte sie sofort zurück geschickt nach Gilgit, und sie hätten noch Probleme bekommen. Die Vorschriften müssen eben eingehalten werden.

- Jawohl, Herr Hauptmann, aber wir hatten keine Zeit nach Islamabad zu fahren – versucht sich Harry zu entschuldigen. – Es ist schade um jeden Tag…

- Reden wir nicht weiter darüber – beendet der Tareen Harrys Entschuldigung. – Die Sache ist erledigt.

- Dankeschön – die Gesichter von Harry und Inge leuchteten vor Zufriedenheit.

Die Säcke der Rosts landeten auf unserem Jeep. Die Gruppe hat sich um zwei Personen vergrößert.

 

Als die Straßenreparatur beendet und unsere Packsäcke auf den Jeeps der Polen verstaut waren ging die Fahrt weiter, bis zur nächsten Unterbrechung. Ein stärkerer Regen hatte eine Brücke weggeschwemmt. Wir mussten alle Packsäcke abladen, die Jeeps mussten umkehren und wir mussten das Gepäck durch das Bachbett tragen. Vor einer Schule in der Ortschaft Barenis haben wir gerastet. Nun kam ich auch mit anderen Polen ins Gespräch. Einer davon war Micha. Er hat 1969 die Erstdurchsteigung der direkten Alam Kuh Nordwand, im persischen Elbursgebirge durchgeführt. Beim Versuch die direkte Bisotun Ostwand  unweit von Kermaschah waren sie wegen der großen Hitze umgekehrt. Ich habe die Erstdurchsteigung der direkten Bisotun Ostwand 1969 durchgeführt und bin dabei fast verdurstet. 1964 habe ich die Alam kuh Nordwand etwas links der Gipfelfalline, also links der direkten Polenroute, erstdurchstiegen. Es gab also reichlich Gesprächsstoff bis an nächsten Morgen andere Jeeps aus der Gegenrichtung organisiert waren.

Bis Knoll gab es keine weitere Unterbrechung. Hier wurden alle verfügbaren Träger für die Polen zusammengetrommelt. Unser geplantes Ziel lag ein Stück weiter Tal einwärts. Ich bekam jetzt aber Bedenken ob wir da noch Träger finden würden, und fragte deshalb den Starschik ob wir mit zum Barumgletscher gehen dürften. Der fragte den Tareen und dieser wollte nun unser Permit sehen.

„Das Permit gilt nur für den Ort Citral, mit dem dürft ihr überhaupt nicht hierher" meinte der. Ich gab mich ahnungslos. Sagte: „Die Organisation in Pakistan funktioniert sehr schlecht, das ist aber nicht unsere Schuld". Ich zeigte auf die beiden Einreisevisa Stempel im Pass und sagte: „In Bonn bei der Botschaft habe ich ein Visa besorgt, und an der Grenze musste ich ein Neues kaufen, weil das von Bonn angeblich nicht gilt. Jetzt haben wir den gleichen Fall. Jetzt ist das Permit angeblich für die gewünschte Strecke nicht gültig".

Es gab damals noch keine ordentliche Karte von dieser Gegend. Wir hatten nur eine schlechte Blaupause auf der die Namen der Ortschaften sehr schlecht lesbar waren. Ich hatte mir deshalb die Ortschaften daheim der Reihe nach auf einen Zettel geschrieben. Diesen Zettel zog ich nun heraus und sagte: „Ich habe das Permit für diese Strecke beantragt und musste annehmen, dass das Permit das ich bekam dafür gültig ist. Woher soll ich wissen wie das richtige Permit aussehen muß, wenn nicht einmal die pakistanischen Staatsbeamten das wissen. Ich tat sehr entrüstet.

Nach einigem Palaver durften wir zum Hauptlager der Polen mitgehen. Der Hauptmann sagte, er würde uns sozusagen in Verwahrung nehmen. Mir war es egal wie er das nannte. Einen Tag später, nachdem die erforderlichen Träger vollzählig waren, setzte sich die Kolonne in Marsch. Es ging bis zur Ortschaft Barum. Da es noch früh am Tag war bestieg ich einen namenlosen Berg nahe der Ortschaft. Inge hatte derweil Kontakte zur Familie des Bürgermeisters geknüpft. Als ich Zurück kam saß sie mit dessen Kindern vor dem Haus. Sie hatte ihnen schon einige Süßigkeiten gegeben. Nun holte ich meine Sofortkamera und lieferte ihnen einige Bilder. Darauf wurden wir zwei, und nur wir zwei, ins Haus eingeladen, in die Küche zu den Frauen. Eine Geste die sonst bei den Moslems in dieser abgelegenen Gegend nicht üblich ist. Ein fremder Mann, zusammen mit den Frauen in einem Raum, wo diese unverschleiert und auch ohne Kopftuch sind. Ich sollte die Frauen fotografieren, natürlich nur für den Herren des Hauses.

Ich nahm meine Spiegelreflexkamera mit, und drückte der Inge die Sofortkamera in die Hand. Leider war es im Raum sehr dunkel. Das Ergebnis der Spiegelreflexkamera konnte ich erst daheim betrachten. Nur zwei Bilder waren einigermaßen verwertbar. Aber immerhin, für uns eine schöne Erinnerung.

Am nächsten Tag ging es bis Shokor Shala. Einige Träger mussten zurück um fehlende Lasten zu holen. Für Inge blieb Zeit sich mit Anja, einer jungen Frau die beruflich beim polnischen TV tätig war und hier als Fotografin der Expedition arbeitete, anzufreunden. Sie haben gemeinsam für alle gekocht.

Da unsere Ursprungsplanung eigene Träger, und ggf. auch einen Hochträger vorsah, hatte ich einige zusätzliche Ausrüstung dabei, die wir nun nicht benötigten. So konnte ich den Begleitoffizier, Inge und ich nannten ihn inzwischen beim Vornamen Fida, für sein Entgegenkommen mit einigen kleinen Geschenken, so u.a. einem Anorak beglücken.

Am 18.07.1978 wurde am Rande des Nord-Barumgletschers das Basislager aufgeschlagen. Ich besaß von dieser Gegend weder Informationen noch Kartenmaterial. Deshalb stieg ich am nächsten Tag zwecks Orientierung erst einmal in der Umgebung des Lagers herum. Als ich zurück kam hatte der Fida über seinem Zelt die pakistanische Fahne gehisst. Er sagte mir: „Das hier umher sind alles unbestiegene Sechstausender. Du darfst besteigen was du willst. Ein tolles Angebot". Normalerweise muss man jeden Berg mit mehr als 6000m Höhe vorher beantragen und auch bezahlen. Die Polen mussten für dem Tirich Mir 1800.-$US zahlen.

Ich hätte gar nicht beantragen können, weil ich die Namen der Berge nicht kannte. Eine schlechte Blaupause mit einigen Details dieser Gegend konnte ich mir erst später besorgen, und da musste ich die Namen z.T. selber eintragen.

Ein geeigneter Berg war bald ausgemacht. Wie ich später erfuhr ist es der Saraich Zom. Da zieht eine lange Firn Rinne zum Grat empor. Ein schneller Aufstieg musste möglich sein. Ein Zwischenlager mit Zelt hielt ich als ungeeignet für einen Alleingang. Der Inge sahen die umliegenden Felsen zu steil aus. Sie wollte lieber im Basislager bleiben, zumal sie da mit Anja und einigen Kameraden eine nette Unterhaltung hatte.

Ich stieg allein an nächsten Tag die Rinne empor bis zu einem kleinen Pfeiler den ich in Gewänd am rechten Rinnenrand ausgemacht hatte. Ich hatte den Biwaksack und eine Daunenjacke dabei, um hier die Nacht zu verbringen.

Am Morgen stieg ich die Rinne im hart gefrorenen Firn empor zum Grat. Die letzte Strecke war Felskletterei. Ich hatte eine Scharte zwischen zwei Grattürmen erreicht, von denen jeder in einem Gebirge wie dem Wilden Kaiser einen eigenen Gipfel dargestellt hätte. Hier waren es nur Grattürme. Der eigentliche Hauptgipfel, den ich von unten nicht sehen konnte, lag weit dahinter. Zu weit als dass ich ihn besteigen, und am gleichen Tag wenigstens bis zu meinem Biwakplatz hätte absteigen können.

Ich bestieg die beiden Grattürme, machte einige Fotos und begab mich auf den Rückweg. Es war bereits Nachmittag und sehr warm. Als ich die Felsstrecke abgestiegen war und die Firn Rinne erreichte, konnte ich feststellen dass ich an diesem Tag wieder einmal sehr viel Glück gehabt habe. Die gesamte Oberschicht des Firns war von der Mittagssonne aufgeweicht worden und als schwere Nassschnee Lawine zu Tal gefahren. Wäre ich zu dieser Zeit in der Rinne gewesen hätte ich nicht überlebt. So konnte ich nun in der fest gepressten Unterschicht ganz bequem hinunter stapfen. Mein Biwakzeug nahm ich im Vorbeigehen mit und erreichte noch bei Tageslicht das Basislager.

 

Am Himmel zogen dunkle Wolken auf. Ein Gewitter hing in der Luft.

Ich kehrte zurück ins Lager. Unterwegs traf ich Harry Rost, den ich ein paar Tage nicht gesehen hatte, auf dessen Rückweg vom Berg. Er kam von einer Zwei-Tages Tour auf den Saraich Zom zurück. Er hatte den höchsten Gipfel nicht erreicht und war auf einem tiefer gelegenen Sattel geblieben. Er wollte nicht zuviel riskieren. Auch so hatte er eine Wand des 5. Schwierigkeitsgrades durchstiegen, und er war mit seiner Tour sehr zufrieden. (Es war nur Schwierigkeitsgrad 4)

- Ich wollte vor allem meine eigene Kondition prüfen – vertraute er mir an. – Als nächstes hätte ich Lust eine der Ovir-Gipfel zu besteigen. Seit einigen Jahren war ich nicht so hoch in den Bergen, und ich befürchte Schwierigkeiten mit der Höhe. Ich bin dieses Jahr 56 Jahre alt geworden – gab er lachend zu. (52 ist richtig)

Unser Gespräch wurde vom Regen beendet, und wir liefen schnell zum Zelt. Den ganzen Nachmittag und Abend regnete es. Beim Einschlafen hörte ich das monotone Trommeln der Regentropfen auf dem Zeltdach.

 

Der nächste Tag war Rasttag. Ich kam mit einigen der Polen ins Gespräch, und auch mit dem Fida. Bei dieser Gelegenheit schenkte ich dem Fida ein Zelt aus unserer überflüssigen Ausrüstung. Ich wollte diese Sachen sowieso nicht mit zurück nehmen, wollte gegen kleine Teppiche oder sonstige Erinnerungsstücke eintauschen. Der Fida sagte mir daraufhin, ich dürfte auch mit auf den Tirich Mir gehen. Dafür war meine Zeit allerdings zu knapp bemessen. Die Polen wollten eine neue Route durch die Ostflanke legen, Dauer unbekannt. Obwohl mein Urlaubs Ende bei solchen Fahrten nie fixiert war, durften die laufenden Arbeiten nicht ins Stocken geraten. Der Sondervertrag war monatlich kündbar, und nicht allgemein beliebt.

Trotzdem habe ich die Chance genutzt. Die Polen hatten gerade ihr Lager 1 errichtet. Zwei von Ihnen sollten den Weiterweg erkunden und ein Zelt für Lager 2 aufstellen. Somit stand im Lager 1 ein Zelt leer. Taddeus musste am nächsten Tag einige Lebensmittel nach Lager 1 schaffen. Die Polen trugen alles selbst. Hochträger Fehlanzeige. Sie hatten auch keine leichte Spezialverpflegeung. Sie ernährten sich vorwiegend aus Konserven mit Rote Rüben Suppe, sogenannten Borschtsch. Im Ostblock war es schwer privat eine Expedition zu starten. Eine enorme Leistung, und eine irre Schlepperei. Ich begleitete den Taddeus und trug auch einiges hinauf.

Der Aufstieg über den Gletscher war für Alpinisten keine Schwierigkeit. Wir teilten uns das frei stehende Zelt und stiegen am nächsten Morgen gemeinsam zum Basislager ab. Bei dieser Gelegenheit, und bei Gesprächen an den folgenden beiden Regentagen im Hauptlagerzelt erfuhr ich viel interessantes über die Expedition der Polen.

Eine private Expedition war damals nicht das Normale in einem Ostblockstaat. Die Teilnehmer waren vorwiegend Akademiker von der Universität Krakau, die übrigens auch Herr Woitila, später Johannes Paul 2 besucht hat. Außerdem waren einige Gebirgler aus Jugoslawien dabei. Starschik, der Leiter kam aus Warschau und betrieb eine private Fensterputzerfirma. Die Teilnehmer, tagsüber teilweise als Professoren tätig, gingen nach Feierabend bei Starschik zum Fensterputzen weil sie da mehr verdienten. Eine solche Expedition hatte nur Idealisten, aber keine Sponsoren. Von der geistigen Einstellung her der richtige Kreis für mich. Aber daraus ergab sich auch das Fehlen jeglicher leichter Spezialausrüstung.

Zum Expeditionsstil: Man kaufte in Polen sehr billig Wodka. Fuhr mit dem Zug über Russland und Afghanistan nach Pakistan, wo absolutes Alkoholverbot besteht. Dort wurde der Wodka für etwa das hundertfache des Einkaufspreises verkauft. In Pakistan besteht Todesstrafe auf Alkoholverkauf. Ich fragte ob das nicht gefährlich sei. Die Antwort: „Flaschenweise ja, kistenweise nicht". Den Verkauf übernahmen in Pakistan stationierte polnische Entwicklungshelfer.

Die Anmarschträger hatten in Knoll stabiles Schuhwerk bekommen. Das war bei der polnischen Armee gestohlen. Wir Polen halten zusammen war da zu hören. Anders als ein Teil der Ostdeutschen, dachte ich mir. Von deren Anpassungsmentalität hatten die Polen übrigens eine sehr schlechte Meinung.

Es war nicht die erste private Expedition dieser polnischen Gruppe. Sie wussten auch schon wie es nach der Bergbesteigung weiter geht. Für das Restgeld aus dem Wodka sollten in Afghanistan Felle gekauft werden, die dann während der Durchfahrt in irgendwelchen russischen Diamantenminen gegen gestohlene Diamanten getauscht wurden. Die Diamanten sollten dann an der Diamantenbörse in Rotterdam zu Dollars werden, für den Kauf neuen Wodkas für die nächste Expedition. Das war der ewige Kreislauf bis zum Zusammenbruch des Ostblocks. Andere Möglichkeiten hatten private Unternehmungen in Polen zu dieser Zeit nicht.

Inge hatte sich inzwischen mit Fida angefreundet. Für solche Kontakte hatte sie immer viel Geschick. Obwohl sie nie eine Fremdsprache gelernt hat, konnte sie mit Menschen aller Nationalitäten stundenlang reden. Alle hörten zu und hatten viel Spaß dabei. Vielleicht hätte sie ein Sprachtalent werden können. Aber während unserer Jugend war in Ostdeutschland ein Kanten Brot interessanter als eine Sprachausbildung, zumal wir sowieso keine Chance sahen die Ostzone in absehbarer Zeit legal zu verlassen. Sie hatte dem Fida erzählt vom Alter her könnte sie seine Mutter sein. Ab da sprach er sie mit Mother an und sie sagte daraufhin Son zu ihm. Danach reiste der Fida nach Peshawar. Sein Bruder war dort eingetroffen. Er wollte ihn besuchen. Ich bat ihn unseren gebuchten Rückflug auf ein späteres Datum umzubuchen.

Zwei Hochträger einer japanischen Expedition die über die Norwegerroute zum Gipfel wollten, nutzten einen Freien Tag um uns im Hauptlager zu besuchen. Einer von ihnen hatte an der Herrligkoffer Winterexpedition zur Nanga Parbat Rupalflanke teilgenommen, und wollte nun die beiden Deutschen sehen. Wie sich herausstellte war er damals zusammen mit meinem Freund Gottfried Lapp eine größere Strecke mit einer Lawine abgestürzt. Beide hatten unbeschadet überlebt.

Die beiden meinten, wir sollten vor der Heimreise nach Hunza kommen und uns Maulbeerarrak mitnehmen. Der sei sehr gut und auch sehr billig. Die Hunza dürfen Arrak brennen, weil sie Ismaeliten und keine Moslems sind. Sie dürfen aber das Zeug nicht nach Pakistan verkaufen. Wir wollten die Zeit am Berg nutzen, zum Arrakkauf sind wir nicht so weit gereist, obwohl Hunza sicher interessant gewesen wäre. Den König von Huza hatte ich schon 1961 kennen gelernt. Inzwischen war er jedoch entmachtet.

Am nächsten Tag bestieg ich eine der Ovir Spitzen. Es war eine schöne Kletterei, reiner fester Fels. Die Schlüsselstelle ist ein Quergang etwa in Schwierigkeit 4+ bis 5-. Das gute dabei ist, dass Quergänge allgemein im Abstieg die gleiche Schwierigkeit haben. Der Gipfelbereich dieser Felsnadel ist so spitz, dass ich darauf weder stehen noch sitzen konnte. Zum Zeichen meiner Anwesenheit hängte ich eine rote Bandschlinge um die obere Spitze.

Zurück im Hauptlager war der Begleitoffizier der Japaner auch anwesend. Ich erzählte ihm: „Der Fida hat uns in Verwahrung genommen, weil wir unwissend in dieses Tal gefahren sind". Ein paar Geschenke rundeten die Sache ab. Ich sagte ihm, ich würde mir die andere Seite, d.h. Südbarum auch gern ansehen, ob das möglich sei. Er meinte im Lager 1 der Japaner wäre gerade ein Zelt frei, das könnten wir nutzen.

Über das Basecamp der Japaner stiegen wir am nächsten Tag zu deren Lager 1 auf.

Im Basecamp konnte ich zwischendurch noch unsere Rückfahrt nach Citral auf den Jeeps der Japaner mit deren Expeditionsleiter, einem Arzt, aushandeln. 100.-$US wie bei den Polen.

Wir bezogen das freie Zelt auf einem Gratrücken, herrlich gelegen mit Ausblick nach beiden Seiten. Am nächsten Tag ging ich zunächst über den Gletscher zu den Trolls um zu fotografieren. Danach interessierte ich mich für den frei stehenden Kegel weiter links, dessen Namen ich nicht kannte. Erst als wir schon 1 Jahr daheim waren erfuhr ich dass es der Ausher ist. Der steile Gletscher zwischen dem Ausher und den weiter rechts liegenden Bergen erwies sich als gut gangbar. So lies sich eine wesentlich höher liegende Terrasse auf der Südseite erreichen. Den kompletten Weiterweg konnte ich noch nicht einsehen.

Am 30.07.1978 bin ich dann sehr früh am Morgen von unserem Zelt aus den steilen

Gletscheraufschwung hinauf und um das links liegende Felseck. Vor mir tat sich eine Verschneidung auf die gangbar und bis zum Gipfel aper war. Reine Felskletterei in ihrer Art wie für mich geschaffen. Ich kam flott voran. Unterwegs ein Steinmann. Da war also schon mal wer gewesen. Es folgten keine weiteren Begehungsspuren. Irgendwann war ich oben. Ich baute einen Steinmann und fotografierte in mehrere Richtungen. Wie ich später von Prof. Diemberger, den Vater vom Kurt, erfuhr, muss ich auch hier der Erste gewesen sein. Ich stieg ab. Am Zelt angekommen brachten die Japaner gerade einen Verletzten dort an, und benötigten das Zelt jetzt selbst. Wir gingen noch am selben Tag hinab zu unserem Zelt am Polen Basecamp.

 

Lustige Rufe Harrys, der nach der Moräne auftauchte, brachten mich in die Realität zurück. Er kam mit guter Laune zurück. Es war ihm gelungen eine der Ovir-Spitzen zu klettern. Er war mit seiner Tat zufrieden.

Zusammen mit Harry und Inge war ein von den Japanern beschäftigter Hunza gekommen. Er bat um Hilfe für zwei Kollegen, die beim Abstieg vom dritten Lager abgerutscht und schwer verletzt waren.

(Hier ist ein Fehler im Polenbuch. Ich kam vom Ausher, die Ovir-Spitze war früher.)

 

Am Abend noch ein gemeinsames Essen im großen Polenzelt. Ich verschenkte unsere übrige Verpflegung, vor allem die gefriergetrockneten amerikanischen Leichtportionen. So etwas hatten die Polen nicht dabei. Für die Gipfelregion war das sicher eine Erleichterung.

 

Inge und Harry spendierten ein Abendessen zum Abschiedesabend. Sie planten die Rückreise nach München. Sie holten für diese Gelegenheit speziell versteckte Köstlichkeiten heraus. Auf dem Tisch landeten Schinken, Camembert, Käse, Paprika und Cwikla (Meerrettich mit roten Rüben), und als Nachspeise Apfelmus mit Schlagsahne. Köstlichkeiten! Und was für ein Genuss! Ich stürzte mich auf den Käse, den ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Eine echte Rarität. Fisch- und diverse Fleischkonserven waren wir schon überdrüssig geworden. Sie waren unveränderlicher Bestandteil jeden Menüs gewesen.

 

Am nächsten Morgen einige Verhandlungen wegen eines Trägers. Die Polen, vor allem Starschik, waren dabei behilflich. Es war fast Mittag als wir uns endlich Richtung Barum in Bewegung setzten. Ein Abschied unter Freunden. Am nächsten Tag erreichten wir Knoll, wo bereits am folgenden Morgen die Jeeps für die Japaner vorfuhren.

 

Abschied von den sympathischen Deutschen. Für sie war das herrliche Berg-Erlebnis zu Ende. Harry bedankte sich herzlich für die erwiesene Hilfe.

-Ich habe so eine nette Begegnung nicht erwartet, sagte er. – Ohne Eure Hilfe hätte ich keine Chance auf die Besteigung gehabt. Ihr seid ja nicht verpflichtet gewesen, Euch für uns zu interessieren. Ihr hättet auch ohne uns weiter fahren können. Wir danken Euch für alles.

Es war nicht die letzte Hilfe, die wir ihm zukommen ließen. Die Verhandlungen mit den Trägern begannen, und wir haben uns mit vollem Engagement beteiligt. Wir hatten direktes Interesse daran einen Preis auf menschlichem Niveau auszuhandeln. Wir mussten an den Tag denken, wo wir selbst unser Lager abbauen und die Rücktransport-Karawane organisieren wollten. Das jetzige Verhandlungsergebnis würde auch dann gelten. Wir würden gezwungen sein, dieselben Preise zu zahlen. Deshalb haben wir so intensiv bei der Verhandlung mit geholfen. Am Anfang verlangten die Träger 150 Rupies für den Transport jeder Ladung bis hinunter zur Brücke am Nol. Diesen Preis schätzten wir viel zu hoch ein. Am Schluss haben wir pro Rucksack bis Barum 40 Rupies bezahlt.

Dann war der Abschied da. Inge hatte Tränen in den Augen. Langsam verschwand die kleine Karawane.

 

Die Straße war jetzt in Ordnung. Wir erreichten Chitral am selben Tag. Da es mit uns als Zupack sehr eng wurde, musste ich zusammen mit einem Japaner auf den Gepäckstücken Platz nehmen. Gelegentlich, da wo die Straße aus den Felsen gehauen ist, mussten wir um unsere Köpfe fürchten. Der Fahrer hatte einen Festpreis und wollte die Sache an einem Tag erledigen. Er fuhr wie wild. Unsere Köpfe interessierten ihn nicht. Angekommen musste die Inge kräftig lachen. Der aufgewirbelte Staub hatte sich auf unsere verschwitzten Gesichter geklebt.

Wir mussten uns ein Hotel suchen. Während der Anreise hatten wir keinen Aufenthalt in Chitral gehabt. Am anderen Morgen ging es gleich ins Flugbüro. Da wurden gerade die Konfirmationen für den nächsten Tag verlesen. Wir waren dabei. Fidas Umbuchung hatte also funktioniert. Als ich unsere Tickets in Empfang nehmen wollte sollte ich zahlen. Ich sagte dass ich bereits gezahlt habe. Der Mann wollte die Quittung. Ich sagte: „Ich habe das Geld hier auf den Tisch gelegt. Der Raum war voller Bauern, aber es war niemand von der Fluggesellschaft anwesend. Mein Fahrer war auch dabei". „Der mit der roten Mütze". „Ja, der mit der roten Mütze". Ich bekam die Tickets ausgehändigt. So unkompliziert kann es gehen.

Der Flug verlief planmäßig. Das Wetter war schön. Im Hotelhof hatte ein Reifen einen Platten. Ein alter Mann saß neben unserem Auto und deutet uns, er habe immer auf unser Auto aufgepasst, er wisse auch nicht was da passiert sei. Nun hatte ich keinen Ersatzreifen mehr. Also Rad ausgebaut, dem Alten seinen erwarteten Bakschisch gegeben und beide Räder dazu. Der wusste was seine Aufgabe war. Zwei Stunden später waren die reparierten Reifen wieder da. Der Alte bekam noch einen Bakschisch und das Geld für die Reparatur dazu. Ich hatte mich inzwischen nach dem Büro für unser Durchreisevisa für Afghanistan erkundigt. Wir wussten ja noch nicht ob das klappt. Es klappte.

Am 05.08.1978 frühzeitig sind wir gestartet. Khyberpaß, Jallalabad, wo wieder abgeschossene Panzer standen. Drei tage vorher hatte es schwere Kämpfe mit vielen Toten gegeben. Am Abend haben wir an einem kleinen Rasthaus, wo einige LKWs standen gegessen. Wir wollten dort im Auto schlafen. Wir mussten weiter. Die Leute hatten Angst mit Westlern in der Nähe. Nachts in der Kabulschlucht mit ihren vielen Kehren fiel das Licht aus. Eine Straßenbeleuchtung gibt es da natürlich nicht. Ein Kabelschuh hatte sich verselbständigt, aber ich konnte in der Finsternis nicht feststellen wo. Die Fahrerei war furchtbar. Dann wieder ein kleines Rasthaus. Die wollten uns auch nicht. Ich sagte: „Ich fahre keinen Meter mehr, ich habe kein Licht". Lange Verhandlung. Dann durften wir bleiben, aber nur mit geschlossener Heckklappe und alle Scheiben voll hochgekurbelt. Es war wahnsinnig heiß in der Kiste.

Am nächsten Morgen erfuhren wir mehr. Der Widerstand gegen die neue Regierung hatte sich formiert. Aber die hatten kein Geld um Waffen zu kaufen. Ein Westauto, wenn sie es erführen, wäre ein lohnendes Objekt für einen Überfall. Durch die Kabulschlucht fuhren wir weiter nach Kabul. Alle Ausländer mussten dort auf einer Wiese übernachten. Dort brachte ich zunächst meine Lichtanlage in Ordnung. Dann holten wir Wasser in der Botschaft der USA. Die Wasserversorgung in Kabul war zusammengebrochen. Die Botschaft war für alle geöffnet, ohne dass sich jemand ausweisen musste, während die deutsche Botschaft noch immer unzugänglich war. Ich gehe seit jeher lieber zu den Amis, die zeigen immer Weltmachtformat und Mut.

Bei dieser Gelegenheit trafen wir auch den Peter aus Düsseldorf, einen echten Lebenskünstler. Seinen Familiennamen habe ich nie erfahren. Wir haben 1973 ihn auf Galapagos kennen gelernt. Mit der Rosa, seiner mexikanischen Frau, war er auf der Durchreise nach Indien. 1992 haben wir ihn in Ladakh noch einmal getroffen, mit einer neuen Mexikanerin.

Anschließend haben wir im Auftrag unserer polnischen Freunde einen polnischen Architekten besucht. Er arbeitete in Kabul als Entwicklungshelfer und baute jetzt das zerstörte Posamt neu auf. Bei dieser Gelegenheit lernten wir die gesamte Geschichte des Umsturzes kennen, so wie das von den deutschen Medien nie berichtet wurde. Ich will das hier nachfolgend wiedergeben. Ich meine es ist interessant.

Während eines Auslandsaufenthaltes des afghanischen Königs hatte sein Schwager, angestachelt durch die Russen, unblutig die Macht im Lande übernommen. Der Schwager hatte beim Straßenbau die Koordination zu den Russen bewerkstelligt, und diese hofften nun mit diesem Mann einen Vasallen an der Spitze

Afghanistans zu haben. Aber sie hatten sich geirrt. Deshalb musste er durch einen in Russland ausgebildeten Afghanen ersetzt werden, der sich dann Präsident nannte. Dazu wurden, zusätzlich zu den bereits im Lande befindlichen 5000 zivilen russischen Beratern, 5000 Rotarmisten aus den angrenzenden Farsi sprechenden Sowjetrepubliken, in afghanischen Uniformen ins Land gebracht. Diese mussten einen Aufstand vortäuschen, und den als  neuer König amtierenden Schwager beseitigen. Dabei wurde die afghanische Sitte – niemand darf ein fremdes Haus betreten bevor er eingeladen wird – eingehalten. Die Soldaten umstellten den Palast und schossen, ohne das Haus zu betreten, von allen Fenstern auf die Königsfamilie bis diese ausgerottet war. Der polnische Architekt wurde, nachdem die Leichen abtransportiert waren, in den Palast gerufen um die blutverschmierten und teilweise zerschossenen Räume zu renovieren. Er sagte es hätte grauenvoll und ekelhaft ausgesehen.

Das war der Ist-Zustand. Die Afghanen waren nicht so dumm das Spiel nicht zu durchschauen. Die Gegenwehr hatte bereits eingesetzt. Der neue Mann hat die Sache nicht in den Griff bekommen. Deshalb ist später, da waren wir aber schon lange weg, der Genosse Kamal, ein linientreuer in Russland ausgebildeter afghanischer kommunistischer Hartliner, mit russischen Truppen von Usbekistan aus als Präsidentennachfolger einmarschiert.

Das interessante Gespräch dauerte so lange, dass wir beim Polen übernachten mussten. Es herrschte Ausnahmezustand. Am Morgen bekamen wir noch den Rat nicht auf der Strecke zu nächtigen, da nachts nur die 4 Städte Kabul, Kandahar, Herat und Mazar i Sharif sicher und in Regierungshand waren.

150 km vor Herat war unser Motor so heiß dass er nicht mehr wollte. Wir haben unseren Trinkwasserkanister darüber gekippt und leere Dosen unter die Motor Abdeckung geklemmt, wie ich das 1961 von pakistanischen Jeepfahrern auf der Strecke Gilgit – Chilas gesehen hatte. Es zischte und dampfte, aber es funktionierte. Amir erklärte mir später, dass nicht der heiße Motor das Problem ist, sondern dass bei der Hitze das Benzin schon vor der Pumpe verdampft. Er hatte sich deshalb in sein Auto eine gekühlte Alternativleitung eingebaut.

Wir haben Herat erreicht und uns in der Herberge von der Anreise einquartiert. Anschließend fuhren wir zum Bazar zu unserem Teppichhändler von der Anreise, um den bereits verhandelten Belutsch zu kaufen. Er nannte uns jetzt einen höheren Preis. Ich aber hatte in Kabul genau den vereinbarten Betrag zum Touristensonderkurs getauscht, und wollte nun nicht zu einem schlechteren Kurs nachtauschen.

Der Händler meinte der von mir genannte Preis kann nicht sein. Nach langen Verhandlungen erinnerte er sich, es müsste ein anderer Belutsch gewesen sein, der jetzt im Stand seines Vaters läge. Wir gingen nach dort. Er hatte recht. Aber nun wollte ich diesen Belutsch nicht mehr, weil mir der Andere besser gefiel. Ich behauptete einfach, es wäre der Andere gewesen.

Es folgten lange Verhandlungen. Der Händler wollte den Teppich gern verkaufen, aber er wollte einen höheren Preis. Ich wollte den Teppich gern haben, aber nicht zu einem ungünstigeren Kurs nachtauschen. Ich war aber bereit einige nicht mehr benötigte Ausrüstungsgegenstände beizugeben. Da wir mit dem Auto zum Bazar gefahren waren, ging das recht unkompliziert. Ich konnte alles einfach herzeigen. Irgendwann wurden wir uns handelseinig.

Den Grenzübertritt haben wir auch gut geschafft, ohne Ausfuhrzoll für die Teppiche. Wir hatten in Kabul auch schon Teppiche im Tausch gegen Zelte erstanden. Es war gerade Ramadan. Inge gab dem Zöllner eine Fischkonserve mit der Bemerkung, damit er am Abend nach dem Hungertag etwas Kräftiges zu essen habe. Sie verwickelte ihn auch gleich in ein Gespräch. Währenddessen hatte ich die Möglichkeit die Teppiche in den Bereits kontrollierten Teil unseres Variant zu schmuggeln.

Beim Übertritt nach Persien lief es zunächst nicht so glatt. Man wollte uns die Luft aus den Reifen lassen, um zu sehen ob wir Hasch dabei haben. Ich erklärte dem Mann, dass ich meine Schlauchlosreifen per Handpumpe nicht wieder flott bekäme. Es kam zu einem lautstarken Streit. Glücklicherweise war der Schah noch an der Macht. Ich zog ein Heft vom persischen Olympia-Comittee heraus, dessen Direktor der Bruder des Schah war. In diesem Heft haben persische Bergsteiger meine Erstdurchsteigung der Alam Kuh Nordwand in Farsi und mit arabischen Lettern beschrieben, was ich nicht lesen kann. Aber die Zöllner konnten es lesen. Ich sagte, ich hätte in Teheran bei der Regierung einflussreiche Freunde, und wenn sie mich nicht endlich fahren ließen könnten sie etwas erleben. Das half.

In einem Rasthaus bei Bojecurd haben wir zu Abend gegessen und neben dem Rasthaus im Auto geschlafen. Irgendwo am Kaspischen Meer war später wieder einmal Pause. Der Karren wollte nicht mehr. Nur ein Pass trennte uns noch von Teheran. Habe bei Amir angerufen. Der hat mich nach Teheran geschleppt. Im Service bei einem Freund von Amir stellte man anderentags fest, dass ein Einlegekeil in der Benzinpumpe abgeschert war. Originalersatzteile natürlich Fehlanzeige. Ein neuer Keil wurde zurechtgefeilt. Wahrscheinlich Mistgabelstahl. Bis München hat er gehalten, und noch paar Tage mehr.

Wir blieben noch 4 Tage in Teheran. Von einem Besuch des Bazars wurde uns abgeraten, weil im Süden Teherans bereits Aufstände tobten. Wir sahen im Fernsehen verzweifelte Ansprachen des Schah der zur Mäßigung mahnte. Im Norden Teherans, wo der gebildetere Bevölkerungsteil lebte, herrschte noch absolute Ruhe. Unser Freund Nowruzi zeigte uns die von ihm neu erbaute Seilbahn. Wir durften kostenlos fahren, 3000 Höhenmeter. Eine Skipiste über solche Höhendistanz gibt es in Europa nicht. Der untere Teil hat allerdings nur im Hochwinter Schnee. Mit der Tooran kauften wir Chinaporzellan sehr billig ein. Die Händler wollten es weiter haben. Sie ahnten was kommen wird. Wenn man das Land verlässt sind Dollars leichter transportabel.

Das war das Ende der Reise. Innerhalb von 5 Tagen ging es auf der Anreisestrecke zurück nach München und ins Berufsleben. Es war eine sehr interessante Reise die noch allerhand Nachwirkungen hatte.

Harry Rost, neu geschrieben Juli 2011

 

Was danach kam:

Freunde aus verschiedenen Ländern die wir im Laufe der Jahre bereisten, wie Tschechien, Indien, Türkei, Nepal, Persien, Pakistan und auch Polen hatten aufgrund fehlender Freiheit, schlechter Versorgungslage, Arbeitsplatzmangel und ähnlichem diverse Wünsche die ich leider nicht alle erfüllen konnte.

Tschechische Familien haben kurz, oder im Fall Olda auch länger bei uns gelebt. Arbeitsplätze konnte ich ihnen nicht beschaffen. Eine Hüttenwirtsposition für Olda scheiterte an der Arroganz des Gerd Friedel vom DAV Vorstand.

Nach Indien an Dr. Ramanand Singh und nach Ivritz in der Türkei gingen Medikamente mit Hilfe von Karl Herrligkoffer, der immer half, und auch kostenlose medizinische Versorgungen für einige meiner Freunde durchführte.

Ein Job für den nepalischen Träger Amdo, für Adili aus Persien, für Fida, und auch für die Kinder des polnischen Architekten aus Kabul war wegen unpassender Qualifikation und total fehlenden Deutschkenntnissen ohne jede Erfolgsaussicht.

Das alles tat mir sehr leid. Aber es ist auch gut dass bei uns Jobs nach Qualifikation, Leistungsvermögen und Eignung vergeben werden, und nicht in Vetternwirtschaft. Anderenfalls kann eine Wirtschaft schnell kränkeln. Ich bin nicht der Einzige der Freunden gern helfen würde.

Glücklicherweise konnten wir aber mit warmer Bekleidung und z.T. auch mit Geld helfen, als die Versorgungslage während eines kalten Winters in Polen sehr schlecht war. Die Deutsche Post half uns dabei indem in dieser Zeit das Porto bei Paketen nach Polen entfiel.

Der Taddeus und Frau Danuta haben auch mal kurz bei mir übernachtet. Er hat an 2 Herrligkoffer Expeditionen teilgenommen. Nach der Erstdurchsteigung des Sichelcoloir am K2 ist er beim Abstieg tödlich abgestürzt, etwa 2 Monate bevor seine Tochter geboren wurde.

Die Wanda, die an dieser Expedition nicht teilnahm, aber auch von der Uni Krackau kam, und auch Expeditionsteilnehmerin bei Karl Herrligkoffer war, ruht heute in etwa 8000m irgendwo in den Weltbergen. Sie hat die letzten Medikamente für meine Mutter in die Ostzone geschafft, und von ihr stammt auch mein Solidrnosc T-Shirt.

Es sind noch mehr polnische Freunde in den Weltbergen umgekommen. Sie waren sehr tapfer, aber sie hatten auch viele Verluste. Leider.

Meine Freunde waren bei Solidarnosc. Vorallem den Polen haben wir den Zusammenbruch des Ostblocks zu verdanken. Sie hatten den erforderlichen Mut und das Durchstehvermögen. Tschechen und Ungarn waren Vorläufer. Der Versprecher des Günther Schabovski war nur der Abschluss. Aber dafür brauchte es nicht viel Mut.

Danach hatten viele Freunde zunächst andere Probleme. Da es bei mir leider noch keinen PC, sondern nur Zettelwirtschaft gab, zerfielen die Kontakte, auch weil ständig neues dazukam. Der Bernhard Koisar schrieb mal aus Österreich und auch mal aus Venezuela, er suchte dort nach Erdöl. Die Anja sendete mit dem Herbert Karasek, der auch oft weltweit individuell auf Achse ist, Grüße aus dem Altai. Er war von Urumschi in China auf dem Landweg durch Tadschikistan und Kirgisien nach Kasachstan gereist.

Es gab noch einiges mehr, und einiges gibt es auch noch. Aber leider weniges. Dafür gibt es neues.

Vor einigen Tagen kam im TV, dass Deutschland für die Polen jetzt als Arbeitgeber nicht mehr interessant ist. Ja, dass inzwischen sogar deutsche in Polen Arbeit suchen. Das freut mich. Die Polen haben das verdient. Haben es aus eigener Kraft geschafft. Herzlichen Glückwunsch!

 

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updated  02.05.14

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Inge und Harry Rost