Bergtouren und Tourenberichte

Matterhorn  Nordwand

Als eine besonders schwierige Tour ist die Matterhorn Nordwand heute kaum noch zu bewerten, aber sie ist sehr risikoreich und evtl. auch hart und anstrengend, und so wird es auch in Zukunft bleiben.

Ich hatte viel Pech mit dieser Wand, weshalb die Freude nach der Durchsteigung um so groesser war. Naechtliche Verhauer, Steinschlag und Schlechtwetter hatten vorher mehrmals zur Umkehr gezwungen. Auch eine Woche vor der Durchsteigung sind wir nochmals am Einstieg umgekehrt, und nach Muenchen zurueckgefahren.

Am 08.07.1979 war es dann endlich soweit. Der sehr nette Huettenwart hatte uns bereits am Vortag, aufgrund seiner Erfahrung und seines Barometers, schoenes Wetter versprochen. Einen separaten Schlafraum hatten wir auch erhalten, um bestimmt gut ausgeruht auf Tour gehen zu koennen.

Nun sassen wir wieder, wie schon am Woscheend zuvor, zusammen mit der ueberaus sympathischen und liebenswuerdigen Freundin des Huettenwartes im Aufenthaltsraum beim Fruehstueck. Womit hatten wir die Hilfsbereitschaft eigentlich verdient ?

Gegen 01:00 verliessen wir dann, begleitet von besten Wuenschen der schoenen Huettenwartsfreundin, die Huette. Mit so netten Worten verabschiedet, konnte es diesmal doch wohl nur noch wunschgemaess ausgehen. Die Nacht war kalt und, bis auf einige schwarze Wolkenfetzen, sternenklar. Der Schnee war hart gefroren. Es wehte ein beissend kalter Wind.

Da ich in der Woche zuvor in eine Spalte eingebrochen war, legten wir das Seil sehr frueh an und auch die Steigeisen dazu. Wir kamen gut voran. Als es hell wurde, waren wir bereits im Bereich der Querung. Hier begannen die ersten Probleme mit der Sicherung, von denen wir hofften, dass sie am Beginn der Verschneidung beendet seien. Leider gefehlt. Diese Probleme zogen sich bis zum Ausstieg hin.

Die Schnee- bzw. Eisauflage ueber den Felsen war im Quergang streckenweise sehr duenn. Sichere Standhaken waren darin kaum unterzubringen. Auch in den darunter liegenden Felsen glueckte das meist nicht, sodass wir es bald aufgaben, Felsen freizulegen.

Am Beginn der Verschneidung fanden wir 2 Felshaken vor. Die Felsen waren hier aper. Eine grosse Hoffnung machte sich breit. Ich legt die Steigeisen ab und ging die folgende Seillaenge an. Leider war diese Seillaenge die einzige Seillaenge die ich ohne Steigeisen gehen konnte. Der Helli schnallte die Steigeisen gar nicht erst ab, denn weiter oben war die Verschneidung insgesamt voller Schnee.

Waehrend des Querganges hatten wir einen etwas gespenstischen, aber doch schoenen Sonnenaufgang erlebt. Wegen der Problematik der Standplaetze nahm ich mir keine Zeit zum Fotografieren. Jetzt haette ich ihn gern fotografiert, aber das Schauspiel war leider bereits vorbei. Laenge um Laenge arbeiteten wir uns die Verschneidung empor, ohne grosse klettertechnische Schwierigkeiten. Das Hauptproblem waren immer die Standplaetze, zumal die Kletterei wegen der Schneeauflage etwas unsicher war. Fuer richtige Eiskletterei war zu wenig Schnee, fuer echte Felskletterei zu viel.

Der bissig kalte Wind, man konnte schon fast sagen Sturm, hielt mit unverminderter Heftigkeit an. Als wir das Ende der Verschneidung und damit den einzigen einigermassen vernuenftigen Biwakplatz in dieser Wand erreichten, war es 16:00. Fuer ein Biwak war es zu zeitig, noch dazu bei dieser Kaelte. Fuer den Gipfel und den anschliessenden Abstieg war die Zeit zu knapp. Fast waren wir schon geneigt, ueber die Schulter zur Solvay-Huette zu gehen. Gluecklicherweise sahen wir da auch nicht so recht klar.

So marschierten wir zunaechst rechts, dann wieder etwas links und spaeter nochmal schraeg rechts aufwaerts. Immer dort entlang wo die Schneeauflage am dicksten war, weil es da am besten ging. Die Standplaetze verlegten wir nach Moeglichkeit in die Felsen. Gelegentlich stiessen wir auch mal auf einen alten Haken, eine alte Schlinge oder auf Spurenreste. Letzteres bildeten wir uns zumindest ein, was unseren etwas ramponierten Auftrieb wieder etwas aufmoebelte.

Unter einem mit 2 Haken und einer Seilschlinge versehenem Felsblock stellten wir fest, dass es langsam Nacht wurde. Fuer ein Biwak schien mir der Platz allerdings ungeeignet, weil wir im Schnee auf abschuessigem Grund gesessen haetten. Wir strebten einem kleinem Felseck zu, das aus einer gratartigen Rippe herausschaute. Obwohl dieses Eck enttaeuschend klein war, richteten wir dort unser Biwak ein, weil uns zeitlich gar keine andere Wahl mehr blieb.

Das Sitzen war sehr unbequem. Ausserdem riss der noch immer anhaltende Sturm staendig den Biwaksack hoch. Ich wollte die untere Schnur zuziehen, um letzteres zu verhindern. Helli aber meinte, sein Biwaksack haette unten keine Schnur. Wie wir am naechsten Morgen feststellten, hatte er sich geirrt. Wir haben dann den unteren Rand des Biwaksacks mit den Fuessen festgehalten.

Meine Daunenweste getraute ich mir nicht aus dem Rucksack zu nehmen, weil ich Bedenken hatte der Wind wuerde sie von unserem kleinen Felseck wegtragen. Genauso erging es mir mit meiner Sitzunterlage. Es ist doch ein schoenes Gefuehl, noch Reservestuecke im Rucksack zu wissen, wenn man gerade so ordentlich friert. Man koennte auch sagen : „Die Dummen sterben halt nicht aus".

In der Nacht glaubte ich dann ploetzlich eine Fingerspitze erfroren zu haben. Wie ich an anderen Morgen feststellte, muss ich mir da am Vortag mit dem Kletterhammer drauf gehauen haben, ohne dass ich es bemerkte. Der Nagel war blau. Insgesamt haben wir jedenfalls ein erlebnisreiches, nicht so schnell zu vergessendes Biwak gehabt.

Das Aussteigen aus dem Biwaksack am folgenden Morgen war auch nicht gerade angenehm. Mit ziemlich steifen Knochen brachten wir dann die erste Seillaenge des neuen Tages hinter uns. Wir strebten schraeg rechts aufwaerts einer Rinne zu, weil wir glaubten, dort alte Spuren entdeckt zu haben.

Bald war es uns wieder warm und wir haben dann sogar geschwitzt, obwohl der Wind gelegentlich blies. Der Schnee wurde weich. Es boten sich jetzt auch Moeglichkeiten zum Grat zu queren, aber nun wollten wir nicht mehr.

So stiegen wir Seillaenge um Seillaenge empor, einmal etwas mehr nach rechts, dann wieder etwas mehr nach links, so wie sich das Gelaende anbot.

Gelegentlich trafen wir auf alte Haken und Seilschlingen. Auch ein liegengebliebener Eishammer wies uns den Weg. Irgendwo war sogar ein langer geflochtener Griff in Form eines Seiles fixiert. Ca. 70 m unter dem Gipfel waren wir dann doch ganz ungewollt am Grat.

Die Nordwand lag hinter uns und eigentlich muesste der Bericht hier enden. Aber ich muss noch erwaehnen, so nett wie wir verabschiedet wurden, wurden wir auch wieder empfangen. Vom Huettenwart bekamen wir gleich eine Flasche Rotwein gratis. Obwohl wir reichlich muede waren, haben wir dann doch noch einige Zeit beisammen gesessen und das Erlebnis ausklingen lassen. Selbstverstaendlich bekamen wir wieder unser separates Schlafgemach.

Wirklich sympathische Huettenwirtsleute trifft man immer seltener an, sodass jede derartige Begegnung ein zusaetzliches Erlebnis wird. Man muss solche Leute inzwischen schon mit der Lupe suchen.

 

Harry Rost, geschrieben 1992

 

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updated  02.05.14

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